Zum Fressen gern
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Zum Fressen gern

Geschichten über die Welt, erwittert durch seltsame Hunde. In der zehnten Episode unserer kynästhetischen Graphic Novel feiert Anti Geburtstag. Zu diesem Anlass haben sich W., Tuli und Elisaveta etwas ganz Besonderes ausgedacht. Außerdem kehren wir mit Anti zurück nach Port-au-Prince, zum Erdbeben im Januar 2010.

Profilbild von Hans Hütt

Da schleichen sie an den schnarchenden Hunden vorbei nach draußen. Mit einem Plan, der gar nicht so übel ist.

So kann man das sagen. Aus allen Zutaten eines anständigen Hunde-Menüs haben unsere Freunde eine Monster-Anti geformt.

Tuli beschwert sich mal wieder. Obwohl er schon so lange mit W., E. und den Hunden zusammenlebt, hat er noch immer nicht gelernt, anstrengungslos durch die Brandmauer der Remise in die Hasenheide zu morphen. Elisaveta weiß warum. Da wartet noch eine große Lektion auf den ehrgeizigen jungen Journalisten. Seien wir noch vorsichtig, was ihren Inhalt betrifft. Aber Ihr kennt das. Es hat mit Community zu tun.

Was kann so erfahrene Hunde erschüttern? Sie haben die ganze Welt gesehen, aus Blechnäpfen und von königlichem Geschirr gefressen. Sie wurden gejagt und mit dem Tode bedroht. Und nun das!

Da wartet der größte Chihuahua in Gestalt einer Riesen-Anti darauf, von ihnen aufgefressen zu werden. Und gleichzeitig lernen wir - durch die Augen der Hunde - wie sie Farben sehen. Blaugrün. Das Fleisch erkennen sie blind.

Noch sind sie nicht alle komplett durch die Mauer gemorpht, aber was sie da erwartet, lässt ihre Nasen erbeben. Gleich stürzen sie sich auf das Monster aus Fleisch und Blut, um es aufzufressen. Den grauenhaften Anblick ersparen wir Euch. Nur die kleine Anti weiß nicht so richtig, was sie davon halten soll, dass sie sich gleich selbst auffrisst.

Bei dem Anblick dieses Festmahls fällt Tuli vor Schreck der Bart aus dem Gesicht und W. zupft an der Perücke, das erste Mal übrigens, dass wir von seiner GLATZE erfahren.

Neue Forschungsergebnisse belegen: Wenn Hunde sich auf den Rücken werfen, ergeben sie sich nicht dem stärkeren, sondern schützen sich vor einem Biss in den Nacken. Manchmal finden sie aus der Rückenlage auch eine gute Gelegenheit dafür, selber zuzubeißen. Oder es ist ein eingeübtes Spiel. Jedenfalls geht es nicht um Unterwerfung.

Am Ende dieses aufregenden Tages ist Anti soweit. Tuli schlägt die Trommel. Elisaveta schwingt die Rassel. W. hat alles für die Traumreise zurück nach Port-au-Prince vorbereitet. Die Mini-MDMA hat Anti schon intus. Gleich nähert sie sich erneut dem Trauma, als sie aus dem kalten nassen Tokio nach Haiti flog, in diesen schwülen Trümmerhaufen der Hauptstadt, unter einem Himmel aus Blei.

Hier sehen wir Anti im Einsatz ihres Lebens. Der unter den Trümmern begrabene Tonton Macoute braucht gar nicht um Hilfe zu schreien. Anti hat ihn längst entdeckt.

Zu Antis Ehren zelebriert der von ihr gerettete Tonton eine Voodoo-Zeremonie. So wurde Anti zur vierbeinigen kleinsten Göttin unserer Gegenwart und hat seither einen mächtigen Zauberer, auf dessen Hilfe sie vertrauen kann.


Kynästhesie ist eine Graphic Novel von Josefina Capelle (Grafik) und Hans Hütt (Text)