„Es gibt eine höhere Prozentzahl an Transmenschen in der US-Armee als in der Bevölkerung“
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Interview: „Es gibt eine höhere Prozentzahl an Transmenschen in der US-Armee als in der Bevölkerung“

Alexa O'Brien hat das Verfahren von Whistleblowerin Chelsea Manning intensiv begleitet und dokumentiert. Bei Jung & Naiv berichtet sie, wie es nach Mannings Verurteilung weitergeht und welche Rolle Transsexualität im US-Militär spielt. UPDATE: US-Präsident Barack Obama erließ im Januar 2017 Manning einen Großteil des Strafmaßes. Am 17. Mai 2017 wurde sie freigelassen.

Profilbild von Interview von Tilo Jung

http://youtu.be/q84NEyS5TPU


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Alexa, letztes Jahr sprachen wir schon über Chelsea Manning – ist sie mittlerweile frei?

Nein, sie wurde im Sommer 2013 verurteilt, zu 35 Jahren Haft.

Für was nochmal?

Für Spionage und die Missachtung des Computerkriminalitäts- und –betrugsgesetzes, für die Veröffentlichung von Dokumenten, die die amerikanische Mittäterschaft von Kriegsverbrechen und Fehlverhalten im Irak und in Afghanistan belegen. Und noch mehr.

Du kommst für das Entlarven von Kriegsverbrechen ins Gefängnis?

Ja, sie wurde für etwas verurteilt, was im Wesentlichen als Mahnmal für Spione gesehen wird. Besonders, wenn du dir die Geschichte des Spionagegesetzes anschaust. Es wurde stets dafür verwendet, politisch Andersdenkende oder Whistleblower zu verfolgen. Während der Arbeiterbewegung im Jahr 1917, als es eingeführt wurde, bis heute. Während der 1970er, 80er und 90er Jahre wurde es traditionell dafür verwendet, um Spione zu verurteilen. Präsident Obama hat das Gesetz mehr als jeder andere Präsident gegen Whistleblower wie Chelsea Manning angewendet.

Macht ihn das zu einem großen Präsidenten?

Ich glaube, dass es Obama vielleicht zum typischen US-Präsidenten macht, im Sinne von „Wieviel Macht liegt in der Exekutive, in diesem Amt“?. Das ist sicherlich eine wichtige und zur richtigen Zeit gestellte Frage. Ich denke, dass es wirklich keinen Unterschied macht, wer das Amt innehat.

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Wenn er soviel Macht hat, warum hat er dann zum Beispiel Guantanamo nicht geschlossen?

Weißt du, ich hab kürzlich von einer sehr interessanten Analyse über die US-Präsidentschaft gehört. Ich glaube, dass die Obama-Regierung und der Mangel an politischer Willenskraft, an politischem Vermögen wahrscheinlich die Realität des Präsidentenamtes widerspiegelt. Wieviel Macht es über die nationale Sicherheit hat, was dieselbe ist, ungeachtet dessen, wer an der Macht ist. Wenn du dir den Übertritt von zivilen Geheimdienstlern zum Militärgeheimdienst anschaust, wie zum Beispiel Panetta oder Brennan, dann siehst du, dass das Monster immer dasselbe ist, egal wer im Amt ist.

Wer kontrolliert wen? Ist es der Präsident oder die Exekutive oder die Legislative, die die Geheimdienste kontrollieren, oder ist es anders herum?

Ich glaube, dass wir uns die strukturbedingte Realität anschauen müssen. Wenn du einen Präsidenten hast, der publikumswirksam ist, dann hast du einen Präsidenten, der die gesetzgebende Gewalt durcheinander bringt. Denn der Gesetzgeber sollte mit dem Volk sympathisieren und sollte die Fähigkeit haben, die ausführende Gewalt zu prüfen, und genau das tut er nicht.

Ein Teil dieses Problems ist ebenfalls die Tatsache, wie Fernsehen und Technologie die Präsidentschaft verändert haben. Es sind viele Dinge, die man aber nicht schwarz-weiß sehen sollte, da viele Kräfte am Werk sind, die die Präsidentschaft so geprägt haben, wie wir sie heute kennen. Ein weiteres Beispiel ist der Aufbau des militärischen Apparats nach dem Zweiten Weltkrieg. Und seit der Clinton-Ära stieg die Privatisierung von Geheimdiensten an – so sehr, dass Tim Shorrock berichtete, dass 70 Prozent des US-Geheimdienstetats aus Drittmitteln stammen. Die Beziehung zwischen privaten und öffentlichen Geheimdiensten ist nicht nur eine Partnerschaft, es ist eine symbiotische Beziehung. Der private Sektor treibt die Entwicklung von militärisch als auch geheimdienstlich genutzter Technologie an. Zum Beispiel haben wir uns noch nicht die Dunkelheit dieses sogenannten „Black Budgets“ angeschaut. Also das Geheimdienst-Budget.

Schau dir ein Unternehmen wie Panavision an – dessen größter Wachstumsbereich im Jahr 2006 war größtenteils begründet durch staatliche Aufträge. Linsen für Waffensysteme. Oder schau dir Sony und IBMs Prozessor der Playstation 2 an – der wurde auf militärischem Schlachtfeld genutzt. Die Prozessorenindustrie wird grundlegend vom Konsumentenmarkt und Entertainmentmarkt finanziert, von Kinogängern und Videogamern weltweit. Aber die Anwendung der Prozessoren ist vielseitig. Die Kernprozessoren werden auf dem digitalen Schlachtfeld genutzt, vom US-Militär. Linsen werden für Bildaufklärung durch Drohnen und so Zeug genutzt. Und hochauflösende Satellitenfotografie.

Jedes Mal, wenn ich einen Drohnenpiloten sehe, sitzt er in einem Kämmerlein, und es sieht irgendwie aus wie ein altmodischer Ort für Videospiele.

In den frühen 2000er-Jahren war die Rolle von Videospielen in der militärischen Ausbildung sowohl in der Forschung als auch in der Presse ein großes Thema. In der US-Armee, unter Soldaten und natürlich Drohnenpiloten. Da ist sicherlich dieser Aspekt der Gamification. Aber ich denke, dass das Problem tiefer liegt. Wenn du eine technologisch grenzübergreifende Föderalisierung hast, zwischen der Technologie, die in Videospielen verwendet wird oder in der Filmproduktion als gemeinverständliche Propaganda aus Hollywood, et cetera. Und auch die dazu gehörige Mechanik, die benutzt wird, die sozusagen effizientes Töten möglich macht. Ich glaube, dass es sogar noch finsterer ist. Aber weißt du, jedes Instrument kann für Gutes oder Übles verwendet werden.

Dual use.

Das ist mehr oder weniger ein ewiges Problem der Menschheit. Die Frage ist die – wenn du es entfachst, wird es äußerst lukrativ für den Menschen, so dass es sehr leicht fällt, von seiner Moral abzulassen.

Was ist der gute Umgang mit Drohnen, die töten?

Naja, du kannst damit tolle Videoaufnahmen machen und weite Landschaften überwachen, zum Beispiel für geologische Zwecke. Es müssen nicht unbedingt geologische Zwecke zur Ölgewinnung sein, es kann auch Naturschutz sein. Es kommt drauf an.

Zurück zu Chelsea Manning. Hast du mit ihr gesprochen?

Nein, Chelsea Manning ist es nicht erlaubt, mit Journalisten zu sprechen.

Mit wem ist es ihr erlaubt zu sprechen?

Ihr ist es erlaubt, mit ihrem Anwalt, Familie und Freunden zu sprechen. Das sind die Regeln des Militärknasts, in dem sie inhaftiert ist.

Könntest du nicht sagen, dass du eine Freundin von ihr bist?

Das könnte man tun, ja. Ich bin nicht eng mit Chelsea. Ich spreche über sie nicht in einem lockeren Ton. Ich berichte über ihren Prozess. Ihr Prozess war unglaublich wichtig für die Öffentlichkeit.

Hat sie dich bei der Verhandlung gesehen?

Ich weiß es nicht, weil sie sich nicht wirklich umdrehen und den Gerichtssaal sehen konnte. Ich glaube, sie war sich darüber bewusst, aber ich weiß es nicht.

Weißt du, wie’s ihr geht?

Durch die Gespräche mit ihrem Anwalt weiß ich, dass es ihr gut geht. Sie hat momentan eine militärische Klage gegen das Verteidigungsministerium am Laufen. In Bezug auf die angemessene medizinische Behandlung ihrer Transsexualität. Das ist etwas, das bei ihr vor ihrer Verhaftung diagnostiziert wurde, von mehreren Ärzten der US-Armee. Es ist sicherlich etwas, das es ihr unmöglich macht, damit umzugehen, wegen der belastenden Situation durch ihre politische Anklage. Dass sie vor dem Militärgericht steht. Darum verklagt sie das Verteidigungsministerium, damit es ihr eine angemessene Behandlung ermöglicht. So, wie du auch einen Diabetiker mit seinen Medikamenten versorgen würdest. Aber natürlich will sich das US-Militär nicht wirklich damit befassen. Wenn es sich mit ihr beschäftigt, dann wird es zum politischen Thema, und das Verteidigungsministerium muss sich in dieser Hinsicht mit seiner eigenen Transphobie auseinander setzen.

Transphobie?

Absolut. Das ist meine eigene Meinung, das Wissen, das ich durch das Militärgericht erlangt habe und ihren aktuellen Fall. Wenn du dir ihre Behandlung in Quantico anschaust und den E-Mail-Verkehr zwischen Gefängnisbeamten über Mannings Entfernen der Unterwäsche, dann bezeichnen sie ihre Unterwäsche als „Höschen“ – da ist ganz sicher Homophobie und Transphobie im Spiel. Und es ist ihr nicht möglich, damit umzugehen seit ihrer Schuldigsprechung, obwohl das Verteidigungsministerium anerkannt hat, dass es angemessene Betreuung für eine Person geben muss, die nicht nur Beratung beinhaltet, sondern auch lebensnahe Erfahrung. Genau genommen gibt es eine Studie der führenden Vereinigung für transmedizinische Fürsorge, die herausarbeitet, wie wichtig es für inhaftierte Transmenschen ist, medizinische Behandlung zu bekommen. Besonders Hormontherapie, wenn nicht sogar die Möglichkeit der lebensnahen Erfahrung in deren ausgewiesenem Geschlecht, denn sie nimmt die depressive Angst und in manchen Fällen selbst suizidale Tendenzen von Langzeitinsassen, die Transmenschen sind.

Ist sie als Frau in einem Frauengefängnis?

Nein, sie ist tatsächlich bei Männern untergebracht. Es ist ein Militärknast, die sind da sehr ernst im Umgang mit den Regeln des Knasts – zum Beispiel kann sie dort nicht ihre Haare wachsen lassen und sie kann sich auch nicht in einer weiblichen Art und Weise zurechtmachen, wegen den Regeln des Knasts. Das Pentagon hat sogar versucht, sie zu verängstigen, durch eine Art von Unterdrückung, sie in ein anderes Gefängnis zu verlegen. Das ist keine gute Idee für Manning. Manning wurde aufgrund schwerwiegender Vergehen verurteilt und ist eine Transperson. Staatliche Haftanstalten sind gefährliche Orte, amerikanische Staatsgefängnisse sind sehr gefährliche Orte. Besonders für jemanden wie Manning. Aber glücklicherweise hat das staatliche Amt für Gefängnisse die Überführung zurückgewiesen. Das Verteidigungsministerium als ihr vorheriger ziviler Verteidiger muss sich mit Manning befassen. Sie müssen mit ihren eigenen Leuten umgehen. Manning ist eine amerikanische Soldatin.

Statistisch gesehen gibt es, gemäß eigener Studien der US-Luftwaffe, eine höhere Prozentzahl an Transmenschen in der US-Armee als in der allgemeinen Bevölkerung. Oftmals sind das Männer, die als Männer ausgewiesen sind, sich jedoch als Frauen sehen, die sich zum Militärdienst melden. Um sich von den Erfahrungen zu befreien, die sie aufgrund ihrer Transsexualität gemacht haben. Interessant ist: Eine Studie die Flug in die Hypermaskulinität heißt, wurde in Mannings Schlafraum im Irak gefunden, direkt bevor sie verhaftet wurde. Das ist eine Angelegenheit, die sie ohne medizinische Behandlung belastete. Es muss sich um sie gekümmert werden. Zusätzlich zum Berufungsprozess, der auch aktuell ist.

Gibt es ein Licht am Ende des Tunnels für sie? Letztes Jahr warst du skeptisch…

Manning hat sich selbst Hoffnung geschaffen. Sie fand ihre Hoffnung wieder, indem sie diese Dokumente veröffentlichte. Ohne diese Art von Vorgehen gibt es keine Hoffnung. Also sind wir es, die uns unsere Hoffnung erschaffen. Ich entscheide mich wirklich für diese Sichtweise. Es ist eine Entscheidung, Hoffnung für Manning zu haben, weil ich entscheide zu handeln, fortführe, über sie zu berichten und über wichtige gesetzliche Verfahren und um zu tun, was ich in meinem eigenen Leben zu tun habe.

Sie entschied sich, Kriegsverbrechen der Vereinigten Staaten aufzudecken und dafür ins Gefängnis zu gehen, für möglicherweise den Rest ihres Lebens?

Ich weiß nicht, ob sie entschied, das zu tun. Das war die Wahl der militärischen Strafverfolger und der Obama-Regierung und deren Verfahren. Aber weißt du was? Du kannst dein Leben nicht leben, wenn jemand für sich herausnimmt zu sagen, dass es der endgültige Faktor unseres Verhaltens ist, wie andere Menschen einen behandeln. Dann ist eine Person nicht frei. Und es gibt keine Hoffnung, denn der unterste gemeinsame Nenner und die schlimmste Konsequenz werden immer entscheiden, was jemand machen wird.

In bestimmten Fällen hat jemand das Richtige zu tun – und das ist, was Manning tat. Sie hat das Richtige getan. Darum kann sie damit leben, wie sie in ihren eigenen Worten sagte. Ich sage damit nicht, dass ihre Zeit im Gefängnis nicht herausfordernd ist oder dass es jedermanns Sache ist. Ich sage einfach, dass Manning sich ihre eigene Hoffnung erschaffen hat und sie an das öffentliche Gewissen appelliert hat. Das sind wir. Wir sind die höhere Gewalt. Also liegt es wirklich an uns – ich versuche mal, das Abstrakte wegzulassen – also liegt es an mir, das nächste richtige Ding zu tun.

Ist sie ein Vorbild?

Ich finde, dass sie ein Vorbild ist. Sie ist auch sehr zugänglich was ihre Menschlichkeit betrifft. Das ist das Mächtige an ihr. Die Leute, die Manning kennenlernen, die ich im Gerichtssaal gesehen habe, sehen jemanden, der nicht zerbrechlich ist, der nicht psychisch labil ist. Das ist ein Individuum, das vorausschauend ist, wissenschaftlich, aufrichtig und so neutral, dass sie nicht einmal eine Propagandistin ihrer selbst ist. Manning glaubt wirklich an Fakten, Wahrheiten und Vernunft.

Glaubt sie an die Selbstheilungskräfte der Vereinigten Staaten?

Ich werde nicht für sie sprechen. Sie hat das Recht, für sich selbst zu sprechen, besonders wenn das Militärgericht zu Ende ist. Das sind einfach meine Gedanken, die ich zusammengetragen habe, indem ich sie so genau wie möglich beobachtete.

Hat Obama jemals über sie gesprochen? Über ihren Fall?

Er hat sie vor der Verhandlung für schuldig erklärt.

Wirklich?

Ja. Und das ist ein Thema der rechtswidrigen Einflussnahme, das wahrscheinlich in der Berufung aufgegriffen wird, denn er ist der Oberbefehlshaber der US-Armee. Wenn er sagt, dass sie schuldig ist… Mir wurde gesagt, dass Präsident Obama seine Entscheidung bezüglich ihrer Begnadigung aufschieben wird, bis er das Amt niederlegt.

Wie kann er sie begnadigen, nachdem er das Amt niedergelegt hat?

Das ist eine gute Frage.

Vielleicht am letzten Tag seiner Präsidentschaft.

Nein, danach. Was soviel heißt wie „Sajonara“. Du weißt schon, „Man sieht sich, ich geh zurück nach Hawaii“. Und, naja, „Ich denk im Urlaub drüber nach“.

Meinst du, dass ein künftiger Präsident, vielleicht Hillary Clinton, für die Idee aufgeschlossen wäre…?

Nein, ich glaube nicht, dass Hillary Clinton, die Frau, deren US-Propaganda so effektiv war, dass wir immer noch die Namen der Leute hören, die [durch Mannings Leaks] verletzt wurden, obwohl de facto niemand durch die Veröffentlichungen zu Schaden kam. Weniger als zwanzig Menschen wurden umgesiedelt, einige unter ihnen, weil sie Visa in die Vereinigten Staaten wollten oder wegen anderen Gründen. Die 900 Warlords, von denen die meisten durch US-Militär getötet wurden oder andere Streitkräfte auf dem Schlachtfeld. Manning wurde des Dumpings beschuldigt, vom Auswärtigen Amt, das Hillary anführte. Und sie wurde nur für 240 Dokumente verurteilt. Eines darunter, das sich auf die Malariasituation in Kingston, Jamaika, bezog. Ich denke nicht, dass Hillary Clinton Manning begnadigen wird. Aber hoffentlich wird ihr Berufungsprozess erfolgreich sein oder sie wird mit gekreuzten Fingern bedingt entlassen, weil sie der Spionage angeklagt wurde. Es ist schwer zu wissen, wie ein Bewährungsgremium damit umgehen würde.

Beschäftigst du dich nur mit dem Chelsea-Manning-Fall oder machst du auch andere Sachen?

Ich mache auch andere Sachen. Letztes Jahr verbrachte ich im Grunde damit, Dinge, die mit Manning verknüpft sind, zu erforschen, oder die WikiLeaks-Untersuchung. Ich habe auch all die Drohnen-Daten aufgekratzt, die durch die US-Luftwaffe verschwinden.

Erzähl mir von den Drohnen-Daten.

Die US-Luftwaffe hat im Grunde genommen für jedermann zugänglich Luftmacht-Zusammenfassungen veröffentlicht, die sich auf Drohnen beziehen, und die verschwinden aus dem Internet. Die letzten sechs Monate verbrachte ich damit, soviel Daten wie möglich zusammenzukratzen. Ich habe viele Folien zu verschiedenen Staatssicherheitsangelegenheiten, inklusive der WikiLeaks-Untersuchung. Ich habe zwei Gerichtsverfahren, dutzende Durchsuchungsbeschlüsse, die mit den WikiLeaks-Enthüllungen in Verbindung stehen und ich werde im neuen Jahr ein Gerichtsverfahren haben, das sich darauf bezieht. Und dann hatte ich dieses Paypal-Gerichtsverfahren.

Zum Beispiel eines der Dinge, an denen ich in den letzten Monaten arbeitete, ist ein gewaltiges Excel-Dokument, von jeder einzelnen Staatsbehörde, mit jedem einzelnen Code der staatlichen Verordnungen, jeder einzelnen Datenbank, Systemen an Datensatznotizen, die du brauchen würdest, um sie zu verklagen. Dabei sprichst du von hunderten von US-Ämtern. Aber das ist ein Projekt, das nachhaltig sein wird. Ich mag es, im großem Rahmen zu arbeiten, denn wenn das Projekt einmal fertig ist und ich es für meine eigenen Zwecke benutzt habe, geht es raus an die Öffentlichkeit und andere Leute können es benutzen.

Was könnten uns die Drohnen-Daten mitteilen?

Du kannst viel aus Daten herauslesen. Du kannst feststellen, wie viele hundert Menschen tatsächlich getötet wurden, du bekommst genaue Statistiken über Opfer, massenweise zivile Opfer, wenn sie auftreten. Du kannst viel durch die Analyse von Mustern herauslesen. Das sind Informationen, die öffentlich zugänglich gewesen sind, die aus dem Internet verschwinden und dann, in manchen Fällen, werden sie neu klassifiziert, sodass du keinen Zugang mehr dazu hast.

Also machen sie’s öffentlich und dann entscheiden sie „Oh, okay, lasst uns die Informationen loswerden“?

Ja. Es zeigt dir, wie willkürlich Geheimhaltung in den Vereinigten Staaten ist. Und wie zügellos diese Überklassifizierung ist. Es ist die willkürliche Anwendung von Macht. Nach dem Motto: Wenn sie politisch brauchbar für mich sind, kannst du die Daten haben. Wenn sie es nicht sind, sind sie klassifiziert und ich kann dich der Spionage anklagen, wenn du versuchst, sie zu bekommen.

Wer bezahlt dich?

Ich werde von zwei Stiftungen unterstützt.

Welche?

Ja, vor allem NetFreedom und ich werde auch finanziert durch das Institute for Media Analysis, eine Medien-Stiftung in New York City.

Wirfst du denen deine Arbeit zu und sagst: „Hi, ich werde an den Drohnen-Datensachen arbeiten und an Chelsea Manning“?

Ja. Und ich mache auch andere Sachen. Ich bearbeite gerade ein Buch für jemanden, und ich veröffentliche auch mein eigenes Werk und werde dafür bezahlt. Und wenn ich in der allgemeinen Presse veröffentliche… Ich glaube, dass die Leute durch den Manning-Prozess herzensgut zu mir waren, im Sinne von deren Verständnis für meine Arbeit, die ich gemacht habe, und unterstützten sie.

Worüber wirst du in deinem Vortrag auf dem 31c3-Kongress sprechen?

Ich rede mit Mannings Anwälten über den Berufungsfall. Wir werden über den Pentagon-Fall der medizinischen Behandlung von Transsexuellen sprechen.


In der ungekürzten Videofolge mit Alexa geht es noch um Pierre Omidyars Journalismusprojekt „First Look Media“ und darum, ob sie Glenn Greenwald und Laura Poitras folgen würde.

Gespräch: Tilo Jung; Produktion: Alex Theiler; Transkript/Übersetzung: Sarina Balkhausen