„Es wird auch in Demokratien gefoltert“
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Interview: „Es wird auch in Demokratien gefoltert“

Vor 30 Jahren wurde die UN-Antifolterkonvention verabschiedet. Wird seitdem auf der Welt nicht mehr gefoltert? Ganz und gar nicht. Jung & Naiv hat vorab den temporären „Stop Folter Shop“ besucht, den Amnesty International am 8. Dezember in Berlin eröffnet, und befasst sich mit den heutigen Foltermethoden.

Profilbild von Interview von Tilo Jung

http://youtu.be/rL_vgfZjlog


Das Wort „Folter“ findet sich in keinem deutschen Gesetzbuch, erklärt Maria Scharlau. Ist Folter also nicht ausdrücklich verboten? Doch, erklärt die Amnesty-Referentin für Internationales Recht. „Artikel 1 des Grundgesetzes verbietet Folter automatisch.“ Die Würde des Menschen sei schließlich unantastbar.

Amnesty International will zum 30. Jubiläum der Verabschiedung der UN-Antifolterkonvention mit einem temporären Showroom, dem „Stop Folter Shop“, auf die Tatsache aufmerksam machen, dass Folter weltweit noch längst nicht gestoppt ist. In 141 Ländern habe es in den vergangenen fünf Jahren glaubwürdige Berichte über Folter und Misshandlungen gegeben, berichtet Amnesty.

Warum in Notwehr getötet, aber nicht gefoltert werden darf, welche Methoden heutzutage angewendet werden, was „weiße Folter“ ist und was Menschen gegen Folter tun können - damit befassen wir uns in dieser Jung & Naiv Folge. Maria Scharlau, Referentin für Internationales Recht, sowie Ferdinand Muggenthaler, Sprecher von Amnesty, sind die Gäste. Der temporäre Showroom, in dem es neben gängigen Foltermethoden auch um mehrere Einzelschicksale auf der Welt geht, kann bis zum 17. Dezember 2014 in Berlin besucht werden.

Nachtrag: Der CIA-Folter-Bericht wurde heute, am 9. Dezember 2014, veröffentlicht. Ein Überblick über die grausamsten Foltermethoden offenbart, dass sich die CIA und ihre Auftragnehmer teils neue Methoden ausgedacht und diese praktiziert haben. Die dreiteilige Originalquelle des US Senate Select Committee on Intelligence gibt es hier, hier und hier.

Update: In der Bundespressekonferenz vom 11. Dezember 2014 haben u.a. Krautreporter Thomas Wiegold und ich die Bundesregierung zum CIA-Folterbericht befragt. (siehe außerdem Update 2)

https://www.youtube.com/watch?v=EvBVbaZGXew

Transkript:

FRAGE DR. DELFS: Ich habe eine Frage an das Innenministerium und möglicherweise auch an das Kanzleramt zu dem CIA-Folterbericht. Die Bundeskanzlerin hat sich dazu ja schon geäußert und gesagt, dass sie schockiert sei. Meine erste Frage ist: Gab es seitens des BND oder seitens des Innenministeriums irgendwelche Erkenntnisse über derartige Praktiken des amerikanischen Geheimdienstes? Wir wissen ja mittlerweile, dass BND und CIA eng zusammenarbeiten. Zweite Frage: Was sind jetzt eigentlich die konkreten Schlussfolgerungen aus diesem Bericht, auch mit Blick auf die Tatsache, dass auch Deutschland zumindest indirekt betroffen ist, weil offenbar auch in EU-Staaten gefoltert wurde?

STS SEIBERT: Ich will vielleicht einmal einen Grundsatz, der für uns ganz oben steht, sehr klar an den Anfang stellen: Folter ist nie und ist durch nichts zu rechtfertigen. Dass jetzt in den USA schwere Fehler bei der Terrorismusbekämpfung nach dem 11. September 2001 transparent aufgearbeitet werden, verdient unseren Respekt. Präsident Obama hat sich klar zum Folterverbot, klar zur Einhaltung von Menschenrechten bekannt und hat das gestern noch einmal unterstrichen. Die Bundesregierung begrüßt, dass der Senat diesen Bericht veröffentlicht. Sie begrüßt auch die klare Haltung der amerikanischen Regierung in dieser Frage. Wir sind überzeugt: Die Grundlage unseres gemeinsamen Kampfes gegen den Terrorismus müssen rechtsstaatliche und demokratische Werte sein. Nur wenn wir diese Werte einhalten, können wir in unserem Handeln auch glaubwürdig sein, und nur dann werden wir diesen Kampf gegen den Terrorismus auch gewinnen.

VORS. LEIFERT: Da war noch die Frage nach den Beteiligungen einzelner EU-Länder. Gibt es daraus Schlussfolgerungen? Wer möchte dazu Stellung nehmen?

STS SEIBERT: Dazu müssen sich und haben sich ja auch Politiker aus einzelnen europäischen Ländern bereits geäußert. Das ist für mich als Sprecher der Bundesregierung nichts, wozu ich einen Kommentar abgeben müsste.

ZUSATZFRAGE DR. DELFS: Noch einmal zu der Frage an das Innenministerium: Hatte der BND davon in irgendeiner Art Kenntnis?

DR. DIMROTH: Wie Sie sicherlich wissen, spreche ich nicht für den Geschäftsbereich des Bundesnachrichtendienstes, insofern kann ich die konkrete Frage nicht beantworten. Aber auch der Bundesinnenminister hat sich zu diesen Vorgängen schon geäußert. Er hat sich neben dem, was Herr Seibert ganz nachdrücklich in Bezug auf die inakzeptablen Praktiken gesagt hat, die in diesem Bericht beschrieben sind, auch ganz deutlich dazu geäußert, dass er das als wichtigen Schritt der Transparenz der Obama-Regierung anerkennt und guter Dinge ist, dass in Amerika jetzt auch die weiteren Aufklärungsschritte voll angegangen werden. Der Bundesinnenminister hat dazu aber auch gesagt, dass gerade in Bezug auf die aktuelle Bedrohungslage, die vom internationalen Terrorismus ausgeht, die Zusammenarbeit der Nachrichtendienste auch die Zusammenarbeit mit den Nachrichtendiensten aus den USA selbstverständlich einen wichtigen Beitrag leistet, um im Kampf gegen den internationalen Terrorismus erfolgreich bestehen zu können.

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FRAGE JUNG: Herr Seibert, Sie haben gerade von schweren Fehlern bei der Terrorismusbekämpfung gesprochen. Nun ist Folter kein schwerer Fehler, sondern unentschuldbar. Würden Sie von einem unentschuldbaren Fehler sprechen?

STS SEIBERT: Sie haben ja meinen klaren Satz gehört: Folter ist nie und ist durch nichts zu rechtfertigen. Das ist die Grundüberzeugung der Bundesregierung.

ZUSATZFRAGE JUNG: Also waren diese Folterpraktiken unentschuldbare Fehler der US-Regierung?

STS SEIBERT: Ich glaube, der Satz ist vollkommen klar. Die Bundesregierung hat sich immer ganz klar von sogenannten umstrittenen Befragungsmethoden distanziert, und vor allem hat sie sich immer klar zum Folterverbot bekannt.

ZUSATZFRAGE JUNG: Ruft die Bundesregierung die US-Regierung dazu auf, die Individuen, die für die systematische Folter verantwortlich sind und diese durchgeführt haben, anzuklagen bzw. sie an internationale Gerichte zu übergeben?

STS SEIBERT: Wir erleben ja eine sehr lebhafte Diskussion in den USA. Das ist eine Sache, die die amerikanische Regierung, die die amerikanische Politik zu entscheiden hat. Ich glaube, man muss es doch so sehen: Präsident Obama selber und die Verfasser des Senatsberichts selber kommen ja zu dem Schluss, dass die Grundwerte von Rechtsstaatlichkeit, Freiheit des Einzelnen, Würde des Einzelnen gegenüber den Gefangenen in den Jahren nach dem 11. September 2001 in einzelnen Fällen verletzt wurden, dass Grundwerte Amerikas verletzt wurden, dass da Verhörmethoden zum Einsatz kamen, die diesen Werten absolut entgegenstanden. Ich denke, diese Erkenntnis und die jetzt durch den Senat betriebene Aufarbeitung zeigen doch sehr deutlich: Amerika bekräftigt seine Werte und will aus diesen Fehlern lernen. Dafür haben wir Respekt. Das ist alles, was ich dazu jetzt als deutscher Regierungssprecher, glaube ich, zu sagen habe.

FRAGE WIEGOLD: Ich habe eine Sache noch nicht ganz verstanden. Ist der Bundesnachrichtendienst von diesem Bericht sozusagen überrascht worden oder war dem BND diese Frage bezieht sich auf den Geschäftsbereich des Kanzleramtes das im Wesentlichen schon bekannt? Kennt die Bundesregierung nur den vom Senat veröffentlichten Bericht, also diese rund 500 Seiten, oder den nicht öffentlich bekannten Komplettbericht, der 6.000 Seiten umfasst?

STS SEIBERT: Die zweite Frage kann ich Ihnen nicht beantworten. Nach meiner Information haben wir zunächst einmal diese 500 Seiten, womit man ja schon eine ganze Menge zu studieren hat. Das weiß ich jetzt aber wirklich nicht. Ich habe hier nicht über Erkenntnisse des BND zu berichten. Die Bundeskanzlerin ist gestern gefragt worden, ob sie mit solchen „Auswüchsen“ das war die Formulierung des Fragers gerechnet hätte. Sie sagte: „Nein, das hätte ich nicht und ich bin genauso erschüttert wie viele Amerikanerinnen und Amerikaner.“

ZUSATZFRAGE WIEGOLD: Das betrifft die Kanzlerin, aber mich interessiert eher der Geschäftsbereich des Kanzleramtes. War man dort genauso überrascht wie die Kanzlerin?

STS SEIBERT: Wir hatten von dem, was dieser Bericht im großen Detail niederlegt, keine Kenntnis.

FRAGE TOWFIGH NIA: Herr Seibert, hat die Bundesregierung irgendwelche Erkenntnisse, dass CIA-Opfer auch auf deutschem Boden gefoltert worden sind?

STS SEIBERT: Die Bundesregierung hat keinerlei Kenntnisse, dass es zum Beispiel CIA-Gefängnisse oder solche Maßnahmen auf deutschem Boden gegeben haben könnte.

FRAGE JUNG: Herr Seibert, Sie haben gerade gesagt, dass Sie es der US-Regierung überlassen, was die Konsequenzen sind. Die Anti-Folter-Konvention, die Deutschland und Amerika unterschrieben haben, besagt, dass die Staaten verpflichtet sind, diese Menschen, die Folter begangen haben, anzuklagen und zur Verantwortung zu ziehen. Das widerspricht der Aussage von Ihnen, dass Sie das der US-Regierung überlassen wollen. Deutschland ist dazu verpflichtet, diese Menschen selbst anzuklagen, wenn die US-Regierung sie nicht anklagt. Wird die Bundesregierung dies tun?

STS SEIBERT: Ob es eine strafrechtliche Relevanz gibt, die hier für die deutschen Strafverfolgungsbehörden wichtig ist und wo deutsche Strafverfolgungsbehörden Maßnahmen einleiten, müssen dann eben die deutschen Behörden selber entscheiden. Es ist nicht Sache der Bundesregierung, darüber zu befinden das können aber besser die Sprecher sagen, vor allem die Sprecherin des Bundesjustizministeriums , ob deutsche Strafverfolgungsbehörden einen Grund sehen, aktiv zu werden.

BAER-HENNEY: Ob solche Straftaten verfolgt werden, muss im Wesentlichen der Generalbundesanwalt entscheiden. Insofern würde ich Sie bitten, sich dorthin zu wenden. Das sind Fragen des Völkerstrafrechts, die gegebenenfalls in die Zuständigkeit des Generalbundesanwalts fallen.

ZUSATZFRAGE JUNG: Herr Seibert, müssen zum Beispiel Ex-Präsident Bush und Herr Cheney in Bezug auf die Foltervorwürfe damit rechnen, gefangengenommen zu werden, wenn sie nach Deutschland einreisen?

STS SEIBERT: Da verweise ich auf die Antwort, die ich gerade gegeben habe.

ZUSATZFRAGE JUNG: Wurden Menschen von deutschen Geheimdiensten an amerikanische Dienste ausgeliefert, um sie zu foltern?

STS SEIBERT: Es gibt einen Fall in diesem Bericht, der einen deutschen Bezug hat, und das ist der Fall al-Masri. Über diesen Fall ist ein Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages zusammengetreten und hat dazu einen Abschlussbericht veröffentlicht. Dem habe ich nichts hinzuzufügen. Sie wissen, dass die deutschen Dienste auf Grundlage der Gesetze, die hier in Deutschland gelten, handeln und dass sie auch der parlamentarischen Kontrolle unterliegen.

ZUSATZFRAGE JUNG: Herr Schäfer, Sie sprechen oft von „wertebasierter Außenpolitik“. Im Koalitionsvertrag steht ja, dass sich Deutschland seiner internationalen Verantwortung stellt und dass wir die globale Ordnung aktiv mitgestalten wollen. Wie passt das damit zusammen, dass die deutsche Regierung nicht sagt „Menschen, die für Folter verantwortlich sind, müssen angeklagt und zur Verantwortung gezogen werden“?

DR. SCHÄFER: Ich habe dem, was Herr Seibert gerade für die Bundesregierung gesagt hat, gar nichts hinzuzufügen.

ZUSATZFRAGE JUNG: Warum nicht?

DR. SCHÄFER: Weil alles gesagt ist.

Update 2: Am Freitag, den 12. Dezember, ging es in der Regierungspressekonferenz weiter zu dem CIA-Folterbericht und den Konsequenzen. Statt Regierungssprecher Steffen Seibert antwortete diesmal seine Stellvertreterin, Christiane Wirtz.

https://www.youtube.com/watch?v=HzBWodI8Av0

Transkript:

FRAGE JUNG: Frau Wirtz, eine Frage zu Konsequenzen zum CIA-Folterbericht. Ist die Zusammenarbeit mit solchen amerikanischen Geheimdiensten für die Bundesregierung immer noch alternativlos?

SRS’IN WIRTZ: Herr Jung, zunächst einmal hat Herr Seibert gestern hier auch schon einmal ausführlich Stellung zu dem genommen, was in Bezug auf die Tätigkeit der CIA vorgelegt worden ist. Die Kanzlerin hat selbst in einem Interview dazu Stellung genommen und hat gesagt, dass sie genauso wie viele Amerikanerinnen und Amerikaner über die Erkenntnisse erschüttert sei, die dieser Bericht mit sich bringt. Was die Zusammenarbeit mit Geheimdiensten anbelangt, ist es sicherlich so, dass man, um eine wirksame Terrorbekämpfung gewährleisten zu können, die im Interesse der Sicherheit Deutschlands ist, darauf angewiesen ist, mit anderen Geheimdiensten zusammenzuarbeiten.

ZUSATZFRAGE JUNG: Bevor keine Konsequenzen gezogen worden sind, könnte die Bundesregierung ja sagen: Wir setzen die Zusammenarbeit vorerst aus.

SRS’IN WIRTZ: Alle Anzeichen und Statements, die es im Anschluss an diesen Bericht gegeben hat, lassen darauf schließen, dass die Amerikaner, die amerikanische Regierung diesen Hinweisen nachgeht und die Vorwürfe aufklärt.

ZUSATZFRAGE JUNG: Der Bundesjustizminister hat die Amerikaner dazu aufgerufen, die Menschen, die die Folter begangen oder sie angeordnet haben, anzuklagen. Warum tut das die Bundesregierung als solche nicht?

SRS’IN WIRTZ: Soweit ich weiß, ist der Bundesjustizminister Teil der Bundesregierung. Ich kann nur sagen, dass das eine Frage ist, die in der Zuständigkeit der amerikanischen Justiz liegt. Wie gesagt, es gibt viele Anzeichen dafür, dass die amerikanische Regierung diesen Vorwürfen sehr gewissenhaft nachgeht. Sie wird wissen, was zu tun ist.

ZUSATZFRAGE JUNG: Was ist denn zu tun? Können Sie das sagen?

SRS’IN WIRTZ: Nein, das kann ich nicht sagen. Ich bin nicht die amerikanische Regierung.

FRAGE TOWFIGH NIA: Frau Wirtz, die meisten dieser CIA-Folterverhörmethoden haben ja auf Guantanamo stattgefunden. Ist es aus Sicht der Bundesregierung noch akzeptabel, dass das Lager bis heute noch geöffnet ist?

SRS’IN WIRTZ: Herr Towfigh Nia, Sie wissen, dass die Bundesregierung ihre Haltung zu Guantanamo immer wieder deutlich gemacht hat. An dieser Haltung hat sich nichts geändert.

FRAGE HENZE: Frau Wirtz, jetzt war ich doch überrascht. Sie sagten, die amerikanische Regierung werde diese Vorwürfe auch juristisch aufarbeiten. Haben Sie irgendwelche Hinweise dafür, dass eine juristische Aufarbeitung stattfindet?

SRS’IN WIRTZ: Ich möchte das klarstellen. Ich möchte noch einmal klarstellen, dass die amerikanische Regierung zugesagt hat, dass sie diesen Vorwürfen nachgeht. Wie in Deutschland ist auch die amerikanische Justiz unabhängig. Insofern wird die amerikanische Justiz auch entsprechend reagieren, wenn es da etwas zu reagieren gibt. Ich kann aber als deutsche Regierungssprecherin hier nicht vorhersehen, prophezeien, wie die amerikanische Justiz mit diesen Erkenntnissen umgeht. Das kann ich genauso wenig für die deutsche Justiz machen.

ZUSATZFRAGE HENZE: Und wenn es keine juristische Aufarbeitung gäbe?

SRS’IN WIRTZ: Es ist zunächst einmal Sache der amerikanischen Regierung, der amerikanischen Justiz, diesen Hinweisen, diesen Erkenntnissen nachzugehen.

FRAGE JUNG: Frau Wirtz, zu Guantanamo: Die uruguayische Regierung hat letzte Woche sechs Guantanamo-Häftlinge aufgenommen. Es sind noch 136 verblieben. Wie viele kann Deutschland davon aufnehmen?

SRS’IN WIRTZ: Dazu kann ich Ihnen hier jetzt keine Stellung geben.

ZUSATZFRAGE JUNG: Ist irgendetwas geplant?

SRS’IN WIRTZ: Nein, es gibt derzeit keine Planungen.

ZUSATZFRAGE JUNG: Vielleicht noch eine allgemeine Frage: Vor zehn Jahren, als der Irakkrieg losging, hat Deutschland rückblickend auf der richtigen Seite der Geschichte gestanden, indem man gesagt hat: Wir gehen da nicht mit rein. Glaubt die Bundesregierung, dass sie jetzt bezüglich der Konsequenzen für Folter auf der richtigen Seite steht?

SRS’IN WIRTZ: Ich glaube, es geht hier jetzt nicht darum, irgendwie weltpolitische Einschätzungen, welthistorische Einschätzungen in der Bundespressekonferenz zu geben. Es geht auch nicht um die Frage, auf welcher Seite auf der guten oder auf der schlechten man gestanden hat. Ich kann noch einmal wiederholen, dass die Bundeskanzlerin die Berichte, die es jetzt im Zusammenhang mit den CIA-Methoden gegeben hat, zur Kenntnis genommen hat und über diese Erkenntnisse auch entsprechend erschüttert war. Das muss hier als Einschätzung reichen.

FRAGE HENZE: Frau Wirtz, die geheimen CIA-Flüge, die sogenannten „rendition flights“, sind ja in nicht unerheblichem Umfang auch über deutsche Flughäfen, über deutschen Luftraum abgewickelt worden. Ist der CIA-Bericht für die Bundesregierung Anlass, die eigene Verwicklung in diese Folterprogramme doch einmal zu untersuchen und zu reflektieren?

SRS’IN WIRTZ: Es gab ja in der 16. Legislaturperiode einen Untersuchungs-ausschuss, der sich ganz ausführlich mit diesen Fragen auseinandergesetzt hat, also auch mit der Frage: Inwieweit wussten deutsche Behörden möglicherweise von CIA-Gefängnissen, von Gefangenentransporten, Misshandlung und Folter durch die CIA. Unter anderem wurde dabei der Fall el-Masri behandelt. Wie gesagt, dieser Untersuchungsausschuss hat das sehr ausführlich getan viel ausführlicher, als wir das hier jetzt tun können. Es gibt einen Abschlussbericht, der im Jahr 2009 verfasst wurde und der zu diesen Fragen Stellung nimmt.

ZUSATZFRAGE HENZE: Nun konnte der Untersuchungsausschuss ja nur auf der Grundlage der damals vorhandenen Informationen untersuchen. Gibt der sehr umfangreiche Bericht der USA jetzt Anhaltspunkte, noch einmal genauer hinzugucken?

SRS’IN WIRTZ: Der Bericht, der aktuell vorliegt, wird derzeit von der Bundesregierung noch einmal ausführlich ausgewertet.

FRAGE JUNG: Frau Wirtz, wie wird die Bundesregierung oder Deutschland sicherstellen, dass Menschen, die Folter begangen haben, nicht nach Deutschland einreisen können? Oder ist Ihnen das egal?

SRS’IN WIRTZ: Es gibt im Moment keinerlei Indizien dafür, dass Menschen, die möglicherweise in irgendwelche Vorfälle verwickelt waren, die in dem CIA-Bericht bekanntgemacht wurden, bzw. irgendwelche Beteiligte, um die es in diesem CIA-Bericht geht, jetzt nach Deutschland einreisen wollten. Insofern stellt sich die Frage derzeit nicht.

FRAGE TOWFIGH NIA: Frau Wirtz, hat dieser CIA-Folterskandal irgendwelche Konsequenzen, was die deutsch-amerikanischen Beziehungen angeht? Oder geht man einfach zur Tagesordnung über?

SRS’IN WIRTZ: Noch einmal: Die Bundeskanzlerin hat diesen Bericht zur Kenntnis genommen. Sie hat entsprechend reagiert, so wie ich das eben ausgeführt habe. Die amerikanische Regierung hat sich auch schon in verschiedener Form geäußert und durchaus auch erkennen lassen, dass sie diesen Vorwürfen nachgeht und einzelne Missstände aufklärt. Insofern gibt es jetzt keinen irgendwie gearteten Anlass, die deutsch-amerikanischen Beziehungen ganz grundsätzlich infrage zu stellen. Im Gegenteil: Die Amerikaner sind ein wichtiger Partner Deutschlands. Das gilt nach wie vor.

FRAGE JUNG: Frau Wirtz, ab welchem Zeitpunkt wird die Bundesregierung die Beziehungen infrage stellen? Was muss noch passieren?

SRS’IN WIRTZ: Noch einmal: Die Bundesregierung macht ganz klar deutlich, dass Folter in keiner Weise zu rechtfertigen ist. Der amerikanische Präsident Obama hat sich auch ganz klar zum Folterverbot und der Einhaltung von Menschenrechten bekannt. Insofern gibt es keine grundsätzlichen Überlegungen, die Beziehungen die guten Beziehungen zu Amerika infrage zu stellen.

ZUSATZFRAGE JUNG: Sie sagen, die US-Regierung habe sich dazu bekannt. Die UR-Regierung achtet aber darauf, dass sie das Wort „torture“, also „Folter“, nicht verwendet, und zwar einfach nur aus rechtlichen Gründen. Sehen Sie das wirklich so, dass sich die US-Regierung dazu bekannt hat, wenn sie gleichzeitig bestimmte Worte nicht verwendet, um rechtliche Konsequenzen zu vermeiden?

SRS’IN WIRTZ: Herr Jung, ich kann das Wording der amerikanischen Regierung hier nicht kommentieren; das Wording macht immer noch die amerikanische Regierung selber. Ich kann nur sagen: Der amerikanische Präsident hat sich klar dazu bekannt, dass die Menschenrechte eingehalten werden. Es ist im Übrigen auch durchaus zu begrüßen, dass es überhaupt zu einer Veröffentlichung dieses Berichtes gekommen ist und dass diese Vorwürfe jetzt aufgeklärt werden. Insofern steht das für sich.

FRAGE JUNG: An das Justizministerium: Es gibt eine nationale Stelle zur Verhütung von Folter. Da arbeiten nur zehn ehrenamtliche Mitarbeiter. Plant das Justizministerium, den Etat dafür zu erhöhen, um vielleicht auch feste Mitarbeiter einzustellen, damit die mehr als 2.500 Gefängnisse und Polizeistellen in Deutschland kontrolliert werden können?

MALACHOWSKI: Das ist mir gegenwärtig nicht bekannt, das müsste ich Ihnen nachreichen.

Update 3: Am Montag, den 15. Dezember 2014, ging es der Regierungspressekonferenz weiter mit Fragen zu Konsequenzen zum CIA-Folterbericht, mögliche Sanktionen gegen die USA, die Rolle des Justizministers und des Generalbundesanwalts…

https://www.youtube.com/watch?v=zv0igG6QNA0

Transkript:

FRAGE JUNG: Herr Seibert, noch einmal eine Frage zum CIA-Report und dem damit verbundenen Bruch des Völkerrechts. Wir haben dieses Jahr am Beispiel von Russland erlebt, was passiert, wenn ein Staat internationales Recht bricht, nämlich Sanktionen von EU-Seite, von deutscher Seite. In welchem Stadium sind die Planungen für Sanktionen gegen die USA?

STS SEIBERT: Ich kann Ihnen von solchen Planungen für die Bundesregierung nicht berichten. Wir haben hier sehr deutlich gesagt, wie stark für uns das Folterverbot als ein absoluter Wert ist, dass Folter durch nichts und auch in keinem Fall zu rechtfertigen ist. Das gilt übrigens auch, wenn man sagt, es gäbe einen Erkenntnisgewinn aus Folter. Auch ein solcher Erkenntnisgewinn kann nie Folter rechtfertigen; das hat die Bundesregierung hier sehr klar gesagt. Das ist das, was ich dazu sagen kann.

ZUSATZFRAGE JUNG: Was ist denn die Position der Bundesregierung gegenüber Helferstaaten wie Polen, die bei der Folter mitgeholfen haben, die Orte und CIA-Gefängnisse zur Verfügung gestellt haben? Sollten die auch angeklagt werden?

STS SEIBERT: Ich kann Ihnen dazu hier nichts sagen. Es ist in jedem Land natürlich national zu prüfen, ob auf dem Boden dieses Landes und durch wen Straftaten begangen wurden. Das ist eine Sache, die in Polen lebhaft diskutiert wird, wie sie auch in Amerika lebhaft diskutiert wird. Ich habe Ihnen für die Bundesregierung hierzu nichts zu sagen, was Polen oder andere Länder beträfe.

ZUSATZFRAGE JUNG: Sie meinten letztens, dass Sie keine Kenntnis davon haben, dass es CIA-Gefängnisse auf deutschem Boden geben würde. Sind darin auch US-Botschaften und US-Konsulate eingeschlossen?

STS SEIBERT: Ich habe keine Kenntnis, dass auf dem Boden von diplomatischen Einrichtungen US-Botschaften oder US-Konsulate solche Taten begangen worden wären.

FRAGE TOWFIGH NIA: Herr Seibert, wenn man Sie so sprechen hört, hat man immer das Gefühl, es ist eine Art Kavaliersdelikt, das die Amerikaner da verbrochen haben. Wie ernst nimmt die Bundesregierung diese Vorwürfe überhaupt?

STS SEIBERT: Ich weiß nicht, wie Sie zu diesem Gefühl kommen. Wir sagen hier seit Tagen und in großer Ernsthaftigkeit, wie erschüttert wir über diese Enthüllungen sind, wie erschüttert wir über Details des Berichts sind und dass Folter für uns, wie ich es jetzt bereits mehrfach gesagt habe, durch nichts, niemanden und auch durch keine Notwendigkeit des Kampfes gegen den Terror gerechtfertigt werden kann. Das ist keineswegs etwas, was wir auf die leichte Schulter nehmen. Deswegen verstehe ich Ihren Eindruck nicht.

ZUSATZFRAGE TOWFIGH NIA: Aber Sie sagen ja auch, es soll keine Konsequenzen haben. Sie vertrauen den Amerikanern blindlings. Sie haben keine Garantie, dass die Amerikaner das juristisch aufarbeiten.

STS SEIBERT: Es ist zunächst die Sache der Amerikaner, mit diesem Bericht umzugehen, und es gibt eine lebhafte Diskussion in den USA. Es ist auch Sache verschiedener anderer Nationen, auf die in diesem Bericht hingewiesen wird, zu prüfen, wie weit diese Vorwürfe zutreffen. Ich habe hier keine Empfehlungen zu geben. Und die Strafverfolgungsbehörden sind eigenständig.

FRAGE JUNG: Herr Seibert, zu den „rendition flights“ der CIA. Es kam heraus, dass es mehr als 11.000 solcher Flüge gab. Im Folterbericht ist aber nur die Rede von 119 Verdächtigen. Das entspricht ungefähr 92 Flügen pro Verdächtigen. Zum Beispiel wurde Murat Kurnaz wurde nur zweimal geflogen, und zwar einmal nach Guantanamo und einmal wieder zurück. Gibt es in Sachen „rendition flights“ neuen Aufklärungsbedarf?

STS SEIBERT: Ich kann den Zahlen, die Sie hier in den Raum stellen, weder folgen noch kann ich sie überprüfen. Uns, wie wahrscheinlich ebenso Ihnen, liegt der amerikanische Bericht von über 500 Seiten vor, der gründlich ausgewertet werden muss. Ich kann hier aber nicht Zahlen gegeneinander abwägen.

ZUSATZFRAGE JUNG: Herr Schäfer, wie ist die Einschätzung von Herrn Steinmeier zu dem Bericht? Hat er schon mit US-Vertretern gesprochen?

DR. SCHÄFER: Ich habe dem, was Herr Seibert gesagt hat, gar nichts hinzuzufügen und kann keine unterschiedliche Sichtweise des Außenministers von der der Bundesregierung erkennen.

FRAGE JUNG: An das Justizministerium: Der Generalbundesanwalt unterstellt der Dienstaufsicht des Bundesministers der Justiz. Justizminister Maas möchte die Verantwortlichen für die Folter angeklagt sehen. Hat er das dem Generalbundesanwalt schon mitgeteilt?

DR. RÜLKE: Ich kann Ihnen da nur zustimmen: Es ist so, dass der Generalbundesanwalt über das Völkerstrafgesetzbuch auch für vergleichbare Sachverhalte zuständig ist. Der Generalbundesanwalt hat selbst in der Pressekonferenz in der vergangenen Woche die Prüfung des CIA-Folterberichtes angekündigt. Diese Prüfung auch Herr Seibert hat es gesagt dauert an. Die Berichte sind umfangreich. Weitere Einzelheiten müssten Sie bitte bei der Pressestelle des Generalbundesanwalts erfragen.

ZUSATZFRAGE JUNG: Aber würde es die Bundesregierung aus Sicht des Justizministers begrüßen, wenn der Generalbundesanwalt Ermittlungen einleitet und Anklage erhebt?

DR. RÜLKE: Es ist Aufgabe des Generalbundesanwalts, diesen Bericht jetzt zunächst einmal auszuwerten. Dann sehen wir weiter.

ZUSATZFRAGE JUNG. Aber Sie sind doch die Dienstaufsichtsbehörde, Sie stellen den ein. Er untersteht der Exekutive, er ist der Anwalt des Bundes.

DR. RÜLKE: Ganz allgemein ist es natürlich so, dass sich eine Dienstaufsicht grundsätzlich auf Ergebnisse richtet und nicht auf Prüfungsvorgänge.

ZUSATZFRAGE JUNG: Wenn wir uns jetzt die Ergebnisse der letzten Zeit seiner Arbeit angucken, zum Beispiel was das Abhören des Kanzlerhandys betrifft da kam ja auch nichts raus : Wann kommt der Punkt, an dem man einen neuen Generalbundesanwalt braucht?

DR. RÜLKE: Jetzt warten wir erst einmal ab, bis der Generalbundesanwalt seine Prüfung abgeschlossen hat, und dann sehen wir weiter.

ZUSATZFRAGE JUNG: Die Frage bezog sich auch auf das Kanzlerhandy.

DR. RÜLKE: Wie gesagt, die Prüfungsvorgänge laufen, der Generalbundesanwalt prüft das er hat das selber angekündigt. Er wird im Übrigen in dieser Woche auch im Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages Stellung nehmen. Mehr kann ich Ihnen dazu leider wirklich nicht sagen.

Gespräch: Tilo Jung, Produktion: Alex Theiler, Redaktion: Hans Hütt