Wieso beschäftigt sich die Verbraucherzentrale mit Superfoods?
Der Hauptpunkt ist, dass Superfoods ganz normale Lebensmittel sind, denen irgendwelche Wunderwirkungen zugesprochen werden. Das ist meist Verbrauchertäuschung, und das fällt in unseren Bereich.
Wenn also ein Superfood-Hersteller sagt: „Dieses Nahrungsmittel hilft gegen Krebs”, ist das Verbrauchertäuschung?
Ja, so etwas darf man als Händler nicht sagen: Es ist grundsätzlich verboten, Lebensmitteln irgendwelche Wirkungen zuzusprechen, die nicht erwiesen sind, und krankheitsbezogene Aussagen zu Lebensmitteln gehen gar nicht. Aber auch andere Aussagen wie „Stärkt das Immunsystem‟, was wir früher zum Beispiel bei Joghurts hatten, denen probiotische Bakterien zugesetzt wurden, sind nicht mehr erlaubt.
Welche Aussagen genau erlaubt sind, steht in der Health-Claims-Verordnung der EU. Kann eine Wirkung wissenschaftlich nachgewiesen werden, werden die entsprechende Aussage und gegebenenfalls die Verwendungsbedingungen dazu in eine Positivliste aufgenommen. Bisher hat man solche Aussagen aber fast nur für Vitamine und Mineralstoffe festgelegt. Deswegen darf man als Hersteller zum Beispiel sagen: „Vitamin C trägt dazu bei, die Zellen vor oxidativem Stress zu schützen.”
Für Pflanzen und Pflanzenzubereitungen, sogenannte Botanicals, wie beispielsweise Weizengras, Acai, Nopal, Maqui oder Chia ist die von Herstellerseite eingereichte Wirkaussage noch nicht bewertet. Hier gibt es also noch keine vorgegebene Liste zulässiger Aussagen. Klar ist: Man darf keine Verbrauchertäuschung (Irreführung) betreiben, das ist verboten. Aber Aussagen über die Wunderwirkung stehen nicht unbedingt auf den Produkten. Gerade im Internet wird darüber berichtet, ohne dass es einen direkten Produktzusammenhang gibt. Aber wenn man nachforscht, merkt man, dass es nur ganz wenige Anbieter gibt, die diese Produkte anbieten. Und natürlich hält sie niemand davon ab, scheinbar neutrale Aufklärungsseiten zu betreiben.
Es gibt eine Sondersituation mit neuen Lebensmittel(-zutaten): Wenn ein Lebensmittel in die EU importiert wird, ohne dass es hier vor 1997 in regelmäßigen Mengen gegessen wurde, darf es hier nicht ohne weiteres auf den Markt kommen. Für diese neuartigen Lebensmittel muss dann ein Antrag nach der Novel-Food-Verordnung gestellt werden. Goji-Beeren wurden zunächst als neuartig vermutet, es konnte aber gezeigt werden, dass sie in Großbritannien gegessen wurden. Es ist eine Heckenfrucht, die hier Wolfsbeere oder Bocksdorn heißt. Deswegen durften Goji-Beeren auch ohne Novel-Food-Antrag auf den europäischen Markt. Anders war das vor einigen Jahren mit Noni, welches eine Zulassung benötigte, oder bestimmte Algen.
Wer kauft Superfoods?
Superfoods werden viel im Direktvertrieb verkauft. Auf Kaffeefahrten, oder der Verkäufer kommt direkt ins Haus, wie bei einer Tupperparty, und bietet nebenbei auch noch Kosmetik an, die sich besonders toll anfühlt. Das Problem hier: Es können mündlich die tollsten Versprechungen gemacht werden, ohne dass sie einer Kontrolle unterliegen. Häufig findet man solche Produkte auch bei Verkaufssendern und natürlich im Internet.
Superfood wird gerne mit Anti-Aging in Verbindung gebracht, wegen der angeblichen antioxidativen Wirkung. Besonders anfällig dafür sind deshalb Menschen, bei denen es mit der Gesundheit ein wenig bergab geht, im Alter ab 45, 50, bis hinauf zu ca. 75 bis 80 Jahren, da will man etwas für seine Gesundheit tun, und diese Zielgruppe hat natürlich auch Geld.
Aber es gibt auch die jungen, gutverdienenden Singles , die daran Interesse haben. Die arbeiten zehn Stunden am Tag und haben ein schlechtes Gewissen, weil sie zu häufig Junk Food essen, zuviel Kaffee und Alkohol trinken oder zu wenig Sport treiben. Diese sind bereit, für natürliche „Gegenmittel“ Geld auszugeben und konsumieren auch gerne Smoothies, Green Smoothies zum Beispiel aus Obst und grünen Pflanzen wie Spinat oder Weizengras, oder auch Superfood, sozusagen rohes Gemüse zum Trinken. Junge Leute mögen lieber flüssige Dinge als Vitamintabletten, weil es kein Arzneimittel sein soll, sie sind ja eigentlich jung und gesund.
Wer definiert denn, was ein Superfood ist?
Das ist kein geschützter Begriff. Ich kann auch meine Schokomuffins so nennen.
Allgemein sind Superfoods Nahrungsmittel, denen eine besondere Wirkung, meist ein besonders tolles antioxidatives Potenzial zugewiesen wird. In der Regel ist diese aber nicht besser als bei vielen anderen Früchten auch. Acai-Beeren verdanken ihren Ruf als Superbeere ihrem hohen Anthocyan-Gehalt (dunkelroter Pflanzenfarbstoff). Dieser ist aber auch in roten Trauben, Heidelbeeren, Rotkohl, Holunder- oder Schwarzem-Johannisbeer-Saft hoch. Acai-Beeren sind also nicht besser oder gesünder als Schwarze Johannisbeeren. Natürlich stecken in jeder Frucht andere Stoffe, und Schwarze Johannisbeeren werden bei uns selten roh gegessen, das heißt, dass sie oft nicht mehr so viel Vitamin C haben, wenn man sie in Form von Saft, roter Grütze oder Marmelade aufnimmt. Auf den Anthocyangehalt hat das allerdings keinen Einfluss. Acai wiederum wird sehr schnell schlecht, man hat von der Ernte bis zur Verarbeitung etwa 24 Stunden Zeit.
Deshalb kommt Acai überhaupt nicht frisch nach Europa, sondern gefroren, als Pulpe, oder gefriergetrocknet. Wie viele Vitamine etc. dann noch in der Frucht sind, hängt davon ab, wie schonend die Verarbeitung war.
Acai-Beeren sind also wirklich nicht besser als Schwarze Johannisbeeren?
Für unsere hiesigen Früchte gibt es Nährwertanalysen, die Vitamin- oder Mineralstoffgehalte stehen in großen Tabellen. Derartige „offizielle“ Analysen fehlen bei vielen Superfoods. Häufig wird mit einem besonders hohen Gehalt an sekundären Pflanzenstoffen wie Anthocyanen oder Flavonoiden geworben. Inwieweit das aber tatsächlich von Bedeutung ist, beziehungsweise welche Mengen davon nötig sind, weiß man heute noch gar nicht. So wird bei Superfoods sehr gerne mit dem ORAC-Wert argumentiert, einem Messwert für die antioxidative Wirkung. ORAC steht für „Oxygen Radical Absorbance Capacity“, also die Fähigkeit, Sauerstoffradikale abzufangen. Er beschreibt eine chemische Eigenschaft des gemessenen Lebensmittels, ist aber ein reiner Laborwert, der sich beim Menschen nach dem Verzehr nicht wieder findet. Darüber hinaus ist meist auch nichts über die Bioverfügbarkeit der antioxidativen Inhaltsstoffe bekannt. Der ORAC-Wert trifft also keine Aussage zur gesundheitlichen Bedeutung eines Lebensmittels.
Man kann es an einem Apfel verdeutlichen: Wenn sie einen aufgeschnittenen Apfel an der frischen Luft liegen haben, wird der nach kurzer Zeit braun. Das ist die oxidative Wirkung. Das verhindert Acai vielleicht besser als Saft von Roter Bete, man könnte aber auch Johannisbeeren nehmen, Zitronensaft oder einfach Vitamin-C-Pulver . Das ist aber nur die Wirkung außen, das sagt nichts über die Wirkung im Körper aus.
Grundsätzlich stecken in allen Pflanzen neben Vitaminen und Mineralstoffen auch sekundäre Pflanzenstoffe wie Flavonoide, Polyphenole oder auch Farbstoffe wie Carotinoide. Alle Inhaltsstoffe haben eine ganz eigene Wirkung im Körper, und sie wirken auch synergistisch, ergänzen oder verstärken sich gegenseitig in ihrer Wirkung. Wir wissen bei Gemüse und Obst , dass sie prinzipiell gesund sind, aber wir wissen nicht, wie genau sie wirkt. Das heißt, man kann einzelne Stoffe auch nicht einfach aus der Frucht isolieren und ohne den Rest der Frucht verabreichen, um gesundheitliche Wirkungen zu erzielen. Ein gutes Beispiel dafür ist Lycopin, das “Tomatenvitamin”. Man hat anhand von Beobachtungsstudien festgestellt, dass Männer, die viele Tomaten und Tomatenprodukte aßen, seltener Prostata-Krebs bekamen. Diese Männer hatten mehr Lycopin im Blut als andere. Man hat dann das Lycopin isoliert verabreicht, doch die Schutzwirkung war nicht mehr da. Es ist also das Zusammenspiel der Inhaltsstoffe von Obst und Gemüse, welches die Wirkung erzeugt.
Das heißt, ich kann in mein Müsli statt Goji-Beeren genau so gut getrocknete Kirschen tun?
Ja, oder frische Kirschen, das ist noch besser. Denn wenn ich etwas trockne, gibt es dabei immer Verluste.
Bei den Goji-Beeren kommt erschwerend hinzu, dass sie meist aus China kommen. Wie sind sie angebaut worden? Das wissen wird nicht. Selbst wenn “Bio” auf der Packung steht, gibt es in China stark schwermetallverseuchte Böden. Generell gibt es immer wieder Belastungen mit Pestiziden, unter Umständen auch mit Darmbakterien. In vielen Teilen Asiens werden Äcker teilweise noch mit menschlichen Fäkalien gedüngt oder mit verunreinigtem Flusswasser gewässert oder gewaschen. Für die Sicherheit dieser Lebensmittel sind alleine die Importeure zuständig, es erfolgt außer im Verdachtsfall oder im Rahmen von Monitorings keine Kontrolle durch die amtliche Lebensmittelüberwachung. Für gesunde Menschen ist eine geringgradige Keimbelastung kein Problem, bei kranken, alten oder jungen Menschen sieht das oft anders aus.
Dass Superfoods besser als heimische Nahrungsmittel sein sollen, ist also reines Marketing?
Ja, das ist Marketing. Und es hängt auch damit zusammen, dass asiatische Länder gelernt haben, altes Volkswissen geschickt zu vermarkten. Damit fördern sie ihre eigene Wirtschaft, sie können das gut verkaufen. Aus der Traditionellen Chinesischen Medizin kommt zum Beispiel ganz viel her, alle möglichen Wurzeln, Rinden oder Blätter, die uns als Nahrungsergänzung verkauft werden.
Bei exotischen Superfoods ist es so, dass sie heimischen Obst- und Gemüse-Sorten nicht überlegen sind, aber sie sind eben exotisch, das hatten wir noch nicht, das macht sie interessant. In New York ist Grünkohl gerade das absolute Superfood, der dürfte hier auf weniger Interesse stoßen. Die Einkäufer von Firmen, die Pflanzen- und Fruchtextrakte als Zutat an Joghurt- oder Getränkehersteller verkaufen, reisen ständig um die Welt und schauen, was sie Neues und Besonderes finden. Erdbeergeschmack ist bei uns zwar immer gefragt, aber es muss immer wieder auch eine exotische Sache her, um sich von Mitbewerbern abzuheben, Marktanteile (zurück) zu gewinnen. Wenn man etwas Besonderes findet, ist man damit vielleicht der Erste auf dem Markt. Manchmal kommt die Frucht dann irgendwann auch frisch bei uns auf den Markt, das war bei Granatapfel, Guaven oder Mangostane so. Ich erinnere mich noch genau, wie die Kiwi in den 1980ern aufkam. Die würde man heute vielleicht auch als Superfood verkaufen.
Wie kann man denn bei Superfoods sicher sein, dass man gute Qualität bekommt?
Wenn man die exotischen Nahrungsmittel unbedingt haben will, sollte man auf eine gute Qualität achten, beispielsweise bei den Importeuren oder im Supermarkt nachfragen, ob diese eigene Untersuchungen machen. Bio-Qualität ist hier oft besser, da es mehr vorgeschriebene Kontrollen gibt. Soweit möglich, sollte man frische Früchte nehmen, keine Extrakte oder Konzentrate. Denn was ist ein Konzentrat? Das definiert jeder Hersteller für sich. Habe ich nur Wasser rausgenommen? Wie viel? Wurde die Frucht mit Schale verarbeitet oder ohne? Extrakte sind bei Lebensmitteln noch viel schwieriger. Bei einem Arzneimittelextrakt muss deklariert werden, wie er hergestellt wurde, um welche Art von Extrakt es sich handelt. Ginkgo-Extrakt zum Beispiel kann ein klar definierter Arzneiextrakt sein. Ein Lebensmittel mit Ginkgo-Extrakt kann aber auch gemahlene Ginkgonüsse, getrocknetes Rindenpulver oder den Sud gekochter Blätter enthalten, das sind alles irgendwie Extrakte.
Was wäre eine heimische Alternative zu Superfoods?
Ich kann wunderbar auf heimisches Gemüse und Obst – nicht zu vergessen Nüsse - zurückgreifen, ich brauche keine Exoten. Die Exoten kann ich natürlich gerne im Urlaub essen, am besten kauft man dieses Obst und Gemüse einfach frisch vor Ort. In der Saison schmeckt es in der Regel auch am besten. Viele Sachen werden inzwischen noch nicht ganz reif geerntet, um den Transport zu überstehen, und/oder eingeflogen. Da leiden Geschmack und Nährwert, und es sind enorme Transportwege und das ist eigentlich nicht nötig. Wir haben in Europa sehr viel sehr gutes Obst und Gemüse. Das, was bei uns gerade Saison hat, ist unser heimisches Superfood. Und wir brauchen weder frische Erdbeeren aus Südafrika noch peruanischen Spargel zu Weihnachten.