Erdgas ist ein Fluch für die Bauern und Fischer in Mosambik: Wer den Fortschritt stört, wird umgesiedelt.
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Mosambiks trauriger Reichtum

Wo ausländische Großkonzerne einfallen, müssen nicht nur Mangobäume und Makrelenschwärme weichen. Erdgas ist ein Fluch für die Bauern und Fischer in Mosambik: Wer den Fortschritt stört, wird umgesiedelt.

Profilbild von Victoria Schneider

In Kitupu trifft sich die Dorfgemeinschaft unter dem riesigen Mangobaum. Hier, im Herzen des Dorfes, wie immer, wenn es etwas Wichtiges zu besprechen gibt. Frauen, Männer, Kinder. Von allen Seiten kommen die Menschen herbei, ein paar Frauen in traditionellen Gewändern holen gerade Wasser am Brunnen neben dem Baum, sie stellen die Eimer ab und eilen zur Versammlung. Es hat angefangen zu regnen, doch kein Tropfen dringt durch die dichten Blätter des Baumes, der von Kokospalmen und Strohhütten umgeben ist.

Nicht oft finden Fremde wie wir in den dichten Dschungel ganz im Norden Mosambiks, wenige Kilometer vor der tansanischen Grenze. Und wenn, dann sind es in letzter Zeit meist Ausländer, die keine guten Nachrichten bringen. Es liegt Veränderung in der Luft, das haben die Menschen bereits gemerkt. In letzter Zeit ist es lauter geworden im Dickicht des Waldes, der früher unberührt und still war. Jetzt preschen Pick-Ups und Trucks durch die Landschaft.

So wie es aussieht, wird es Kitupu bald nicht mehr geben. Es fällt in den Umsiedlungs-Aktionsplan des US-amerikanischen Unternehmens Anadarko, das rund 7.000 Hektar Land von der mosambikanischen Regierung gekauft hat,um Erdgas zu fördern.

Mosambik ist im Rohstoff-Boom. Seit Jahren strömen ausländische Unternehmen ins Land, USA, China, Europa, Indien - alle mit dabei. In der Tete-Provinz im Nordwesten des Landes graben das britisch-australische Unternehmen Rio Tinto und das brasilianische Vale schon seit Jahren nach Kohle. 2010 wurden entlang der Nordküste große Mengen Erdgas gefunden.

Die Bewohner Kitupus haben sich im Halbkreis um den Dorfältesten eingefunden, der einzige, der erhoben auf einem Stuhl an einem Tisch sitzt. Nacheinander ruft er die Namen derer auf, die ihren Fall vortragen wollen. Adhija Issa ist die erste.

Sie sitzt im Schneidersitz im grauen Sand, ihre Haare sind bedeckt mit einem blauen Kopftuch, um die Schultern trägt sie einen bunten Schal. Sie ist gekommen, um von den Sorgen zu erzählen, die die Menschen in Kitupu haben, seitdem sie das Land mit Anadarko teilen.

Die Bewohner Kitupus versammeln sich unterm Mangobaum in der Dorfmitte.

Die Bewohner Kitupus versammeln sich unterm Mangobaum in der Dorfmitte. Foto: Victoria Schneider

Anadarko begann 2010 entlang der bis dahin unberührten Nordküste Mosambiks nach Erdgas zu suchen. Kilometerlange Sandstrände, dünne, lange Kokospalmen, dichter Dschungel. Eine Gegend, deren Bewohner sich durch Fischfang und traditionelle Landwirtschaft selbst versorgen können.

Gasförmiges Äquivalent einer Goldgrube

Damals ahnte noch keiner, wie reich Mosambik an Erdgas ist. Die
Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe schätzt die Ressourcen auf insgesamt 5,2 Billionen Kubikmeter. Das wäre genug, um Deutschland, Frankreich, Italien und Großbritannien 18 Jahre lang mit Energie zu versorgen. Als 2010 die ersten großen Entdeckungen gemacht wurden, sprach der damalige Geschäftsführer Anadarkos, Jim Hackett, von „den weltweit wichtigsten Funden des vergangenen Jahrzehnts“. Und noch ist nicht alles entdeckt.

Der jetzige Geschäftsführer der Firma, Al Walker, spricht von Mengen, die das Land binnen eines Jahrzehnts zum drittgrößten Flüssiggas-Produzenten der Welt hinter Katar und Australien aufsteigen lassen könnten. In Afrika hat Mosambik diesen Rang schon inne: nur Nigeria und Algerien verfügen über größere Mengen des Rohstoffs, der zur Wärmeerzeugung, zum Kochen und zunehmend zur Energieerzeugung und als Kraftstoff verwendet wird.

Für ausländische Firmen ist der Norden des südafrikanischen Landes das gasförmige Äquivalent einer Goldgrube: Vor allem für Anadarko, das mit Abstand die größte Fläche erworben hat – auf See, wo das Gas liegt, und auf dem Festland, wo die Aufbereitungsanlage entstehen wird.

2006 Anadarko schloss einen Vertrag mit der mosambikanischen Regierung. Im Gegenzug versprachen die Amerikaner, die Entwicklung der Gegend voranzutreiben, Arbeitsplätze zu schaffen und eine hochmoderne Anlage zu bauen. „Wir bemühen uns, in stetigem Kontakt mit den Gemeinden zu stehen, um positive auf gegenseitigem Respekt basierende Beziehungen zu allen Stakeholdern zu wahren“, sagt John Christiansen, der in Texas sitzende Pressesprecher Anadarkos.

Klingt nach einer Win-Win-Situation.

Doch vor Ort sorgt die Gegenwart der Investoren für Verwirrung.

Adijha Issa baut Mais, Cassava und Erdnüsse an. Sie sagt, vor kurzem sei eine Straße durch ihre Felder gebaut worden. Angeblich, ohne um ihre Erlaubnis zu fragen. „Ich kam eines Tages auf meine Felder und sah,wie Bauarbeiter gruben.“ Sie sagt, sie habe eine Zahlung von 6000 Meticais erhalten, umgerechnet 150 Euro, doch sie wisse nicht, ob das genug sei. Sieht ahnt, dass der Verlust auf lange Sicht größer ist.

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Wenig später führt Hamis Mandiseh durch das Dickicht des Dschungels. Der 32 Jahre alte Familienvater möchte uns den Schaden zeigen, den die ausländische Firma an seinen Mangobäumen angerichtet haben.

Wie eine Narbe in der Erde

Wir gehen an den Strohhütten vorbei und verlassen Kitupu, schlängeln uns durch die Palmenwälder und die bunte Flora des mosambikanischen Dschungels. Ab und zu passieren wir abgesperrte Zonen, in der Ferne steht ein Bagger. Unverständliche Schilder “Pioneer Camp - Landing Zone” oder “AF 6” stehen am Wegrand.

Wir halten auf einem Feld inne. Einer der Männer sagt, dies seien seine Cashewbäume. Er deutet auf eine Gruppe Bäume, die auf im hellen Sand stehen. Die Äste sind auf der einen Seite gestutzt. Die Bäume seien im Weg gewesen, als die Firma den Boden öffnete.

Die Äste dieser Cashewbäume wurden abgesägt, um den Weg freizumachen für Bohrungen.

Die Äste dieser Cashewbäume wurden abgesägt, um den Weg freizumachen für Bohrungen. Foto: Victoria Schneider

“Hier führen sie seismische Bohrungen durch”, sagt der Bauer. Im Sand verläuft eine Spur wie eine Narbe in der Erde. Es ist keine schöne Narbe, sie sieht aus, als wäre sie nicht richtig zugenäht worden - dort, wo offensichtlich gegraben wurde ist der Boden aufgewühlt. Kurz darauf erreichen wir Mandisehs große Mangobäume.

Auch hier fehlt die Hälfte. Mandiseh, ein schlanker Mann mit beigem Hut und gelbem Hemd, streichelt liebevoll den Stamm des Baumes. Sie hätten ihm Geld angeboten. „Ich habe gesagt, ich will ihr Geld nicht. Sie erniedrigen uns, sie könnten viel mehr zahlen.“ Am Ende habe er dann doch zugestimmt, auch wenn es ihm das Herz brach.

Die Gegend um Kitupu wird der Standort von Anadarkos Flüssiggas-Aufbereitungsanlagen. Es ist das ambitionierteste Unterfangen eines ausländischen Investors in Afrika: eine Milliarde US-Dollar war das Projekt bisher schwer, die Infrastruktur sieht Straßen vor, Unterkünfte für bis zu 10.000 Arbeiter, einen Flughafen mit einer 3,5 Kilometer langen Landebahn und bis zu zehn Verarbeitungsanlagen. Das Gas wird mit Pipelines an Land geholt, dort in einem hochkomplizierten Prozess verflüssigt und anschließend nach Europa, Asien und in die USA exportiert.

„Jeder will ein Stück vom Kuchen“

Anabela Lemos von der Nichtregierungsorganisation Justiça Ambiental! ist eine der größten Kritiker ihrer Regierung, wenn es um Rohstoffe geht. Ihrer Meinung nach ignoriert die mosambikanische Regierung in den Deals jegliche Risiken für die Umwelt und die sozialen Strukturen der ländlichen Bevölkerung. „Wir setzen alles auf die Rohstoffindustrie“, sagt sie. „Das wird die sowieso schon prekäre Situation in unserem Land verschlimmern.“

Doch die Präsenz ausländischer Investoren wird von einigen Mosambikanern mit Sorgenfalten auf der Stirn verfolgt.

Mosambik gehört noch immer zu den ärmsten Ländern der Welt. Korruption, sagt Lemos, sei schlimmer denn je. „Eine kleine Elite reißt sich um das große Geld, jeder will ein Stück vom Kuchen.“ Das Geld, das durch die Investoren ins Land kommt, komme nicht bei der Bevölkerung an.

„Gemeinden werden nicht in die Entscheidungen eingeweiht, sie kennen ihre Rechte nicht, und wenn sie ihre Rechte kennen und nein sagen, ändert das auch nichts. Wir haben zwar eine sehr innovative und fortschrittliche Rechtssprechung, aber es nichts anderes als Papier“, sagt Lemos.

Lemos nennt das, was im Dschungel um Kitupu vor sich geht, Landraub. „Die Geschichte hat uns gezeigt, dass das die schlechteste Entscheidung ist“, sagt sie. Sie bezieht sich auf die knapp 1.500 Haushalte, die vor einigen Jahren von den Großkonzernen Rio Tinto und Vale in der Tete Provinz umgesiedelt wurden. Auch dort konnten sich die Menschen selbst versorgen, nun sind sie auf Hungerhilfe von außen angewiesen – eine Situation, der Human Rights Watch 2013 einen ganzen Bericht widmete.

Nach Kohle nun also Erdgas. Nach der Provinz Tete jetzt Cabo Delgado. Nach Land nun auch das Meer.

Die Fischer sagen, dass die Bohrungen jenseits der Insel durchgeführt werden.

Die Fischer sagen, dass die Bohrungen jenseits der Insel durchgeführt werden. Foto: Victoria Schneider

Einige Kilometer nördlich Kitupus liegt Palma, ein verschlafenes Fischerdorf. Die Straßen sind sandig, Kokospalmen ragen in den Himmel. Vom Strand aus sieht man dutzende Boote im grün-blauen Meer schaukeln, in der Ferne ist ein Sandstreifen, der aussieht wie eine Schatzinsel in einem Piratenfilm. Es wirkt friedlich, vor allem im Morgengrauen, wenn die Fischer in Grüppchen am Strand Suppe frühstücken, und der Dampf des heißen Tees in die laue Luft steigt.

Auch hier spüren die Menschen die ersten Auswirkungen der ausländischen Investoren. Die Fischer beklagen, dass ihr Fang zurückgegangen ist. Die Erschütterungen der Bohrschiffe verscheuchen die Meeresbewohner, sagt Zaino Nassoro, der in seinem 39-jährigen Leben nichts anderes gemacht hat als zu fischen. Wissenschaftliche Studien widersprechen sich in dieser Angelegenheit.

Nassoro sagt, früher habe er Boxen voller Makrele, Barsch und Tintenfisch nach Hause gebracht. Bis oben hin sei sein Boot mit mosambikanischen Meeresspezialitäten vollgewesen. Bis zu 200 Kilogramm. „Jetzt sind es, wenn es hochkommt, vielleicht 40, 50 Kilo. Dort, wo wir früher fischten, sind jetzt die Bohrschiffe, die Fische schwimmen uns weg, das Meer ist zu klein geworden.“

Anadarkos Pressesprecher Christiansen bezweifelt die Angaben der Fischer. „Wir bohren in sehr tiefem Wasser, über 1.000 Meter, wo die örtlichen Fischer nicht tätig sind. Unsere Studien haben ergeben, dass nur die wenigsten so viel fangen können.“ Für die meisten habe sich nichts geändert.

Ein Gruppe Fischer auf See vor Palma

Ein Gruppe Fischer auf See vor Palma Foto: Victoria Schneider

Im Environmental Impact Assessment (EIA), das Dokument, das Investoren abgeben müssen, um über die biologischen und sozialen Auswirkungen eines Projekts zu informieren, beschreibt Anadarko dennoch mögliche Konflikte mit der Fischereigemeinschaft. „In den Gegenden, wo gesucht oder gebaut wird, wird es zur Vertreibung des lokalen Fischereibetriebes im Palmabecken kommen“, heißt es.

Ebenso schreibt das Unternehmen, dass „der Druck auf die Fischer außerhalb der von ihm abgesteckten Sicherheitszonen zunehmen wird“, da sie sich auf weniger Platz beschränken müssen. Anadarko bewertet die potenzielle Beeinträchtigung des lokalen Fischereibetriebes jedoch abschließend als „unbedeutend“.

Clash zweier Welten

Nassoro und die anderen Fischer sehen das anders. Er besitze drei Fischerboote, doch benutze inzwischen nur noch eines. Das zweite sei kaputt, ihm fehle das Geld für die Reparatur. Das dritte vermiete er.„ Ich brauchte eine weitere Einnahmequelle, seitdem der Fang zurückgegangen ist.“ Verhandlungen über Kompensationszahlungen vonseiten Anadarkos haben laut der Fischer in Palma bisher nichts ergeben.

Eine Sandstraße in Palma

Eine Sandstraße in Palma Foto: Victoria Schneider

Sowohl unter den Fischern in Palma als auch unter den Bauern in Kitupu herrscht Ungewissheit. Auf unsere Nachfrage bei den Dorfbewohnern im Dschungel, ob jemand vonseiten der Firmen nach Kitupu gekommen sei, mit wem sie gesprochen hätten, ob sie wissen,was mit Kitupu passiere, und wenn ja, wann es passiere, konnten keine Antworten geben. Der Dorfälteste gibt an, er habe im Radio von den Umsiedlungsplänen gehört.

Die Gegenwart der Investoren ist für die lokale Bevölkerung wie Besuch von einem anderen Planeten. Ein Clash zweier Welten.

2018 soll alles fertig sein, dann will Mosambik die ersten 20 Millonen Tonnen Flüssiggas exportieren. Wenn alles nach Plan läuft, wird es Kitupu dann nicht mehr geben. Und wie Palma aussehen wird, kann man nur erahnen.

Noch geht das Leben seinen gewohnten Weg. Jeden Morgen fährt Nassoro aufs Meer. Er verschlingt hastig das letzte Stück Brot und stapft los in Richtung Wasser, das sich weit zurückgezogen hat. Kolonien winziger rosafarbener Krabben tanzen auf dem matschigen Sand. Der Fischer will raus, bevor die Flut kommt. Er krempelt die Hosen hoch und watet seinem roten Holzboot entgegen. Auf der Rückseite seiner Baseballcap, die per Altkleidersammlung nach Mosambik gekommen ist, wird der Slogan einer deutschen Baufirma sichtbar: Den Fortschritt erleben.

Zaino Nassoro

Zaino Nassoro Foto: Victoria Schneider

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