Wuffwuffs Veteranen
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Wuffwuffs Veteranen

Geschichten über die Welt, erwittert durch seltsame Hunde. In der zweiten Episode unserer kynästhetischen Graphic Novel sieht Wuffwuff ein, dass der Ka-ka-kampfmittelträumdienst seine Warnung für Unfug hält. Er sucht einen anderen Weg, die Öffentlichkeit zu alarmieren.

Profilbild von Hans Hütt

Was bisher geschah: Der Hintergrund zu dieser Serie sowie die erste Folge.


Über Satellit (Wuffwuff LIEBT TECHNIK) erfasst er die Geotagging-Daten der Stelle, wo eine BOMBE in der Hasenheide liegt.

Wuffwuff sendet, natürlich verschlüsselt, die Geo-Tagging-Daten an die ZEITUNG. Da muss es doch einen geben, der seine Warnung ernst nimmt. Der junge Mann im Newsroom der ZEITUNG, nennen wir ihn der Einfachheit halber Tuli, sieht, dass der Dispatcher aus dem Newsroom der urbanen Nervenzentrale eine neue Nachricht schickt. Wartet da endlich die STORY, nach der er sich so sehnt? Denn es gibt für ihn kaum etwas Langweiligeres als den ganzen Servicekram, den man ihm sonst immer auf den Tisch kippt.

Hey, eine Bombe in der Hasenheide - und der Ka-ka-kampfmittelträumdienst kümmert sich nicht drum? Das ist ja wie bei der Atomalarmübung im letzten Jahr. Hauptsache der Dienstweg wird eingehalten und das Wochenende respektiert. Oder war das nur eine dieser famosen Aushilfskräfte, die die Nachricht nicht ernst genommen hat? Wer nimmt hier überhaupt noch etwas ernst, wenn nicht unser ehrgeiziger Tuli? Glücklicherweise hat er als erster im Newsroom geklickt und behält die Nachricht für sich. DAS IST MEINE STORY, denkt er sich. Mit einem albernen Vorwand (ich muss noch die Öffnungszeiten für das Pornofestival überprüfen), schleicht er sich vom Acker.

Wuffwuff war so erbost über den Ka-ka-kampfmittelträumdienst, dass er der Zeitung als Treffpunkt einen Platz vor seiner geheimen Remise mitgeteilt hat. Da sitzt nun Tuli vor der Brandmauer. Was wartet hinter dieser Mauer für eine Story?

Anti lugt durch ihre Spähklappe und entdeckt den Fremden. Was will der ? Sie knurrt so leise, wie ein Erdbeben überlebender Chihuahua nur knurren kann, etwas zu hoch und zu hörbar. Sie weckt Zara aus dem Trauma-Traum.

Drinnen passiert gerade etwas, womit Wuffwuff kaum mehr gerechnet hat. Zara ist endlich so weit, seinem Trauma näher zu kommen, es endlich hinter sich zu bringen. Mit Veterinären in Idaho hat Wuffwuff einen Forschungsvertrag, der ihm das reinste und feinst dosierte Ecstasy der Welt beschert (das es sonst angeblich nur in Leipzig gibt), Minis für die vierbeinigen Veteranen. Es entspannt sie für die Träume, die er mit einigen Geruchsfläschchen aus der Geruchssammlung von außen beeinflusst. Hunde träumen Cinemascope durch die Nase. Ihre Träume sind durchzuckt von olfaktorischen Palimpsesten, mal starke Gerüche, wie zum Beispiel die Luft in Kabul (die bekanntlich nach pulverisierter Scheiße mit Dieselabgasen riecht), mal nur ein Molekül von einem Geruch, der sie erzittern lässt.

Zara befindet sich wieder auf der Anhöhe am Rand von Kabul. Mit seinem Companion untersucht er ein Terrain, das für Skater von Bomben geräumt werden muss. Spur für Spur sucht er nach dem typischen Geruch der IEDs.

Hundenasen müssen wir uns vorstellen wie einen komparatistischen Spürsinn. Sie kontextualisieren. Es gehört zu den albernen Irrtümern der Hundetrainer mit ihrem wölfischen Repertoire, dass sie genauso positivistisch eineindeutig sein wollen, wie die Welt, zumal die Hundewelt, nun einmal nicht ist. Hundenasen kontextualisieren Gerüche wie Komparatisten einen Roman. Zara erkennt zum Beispiel die Handschrift des IED-Bauers. Seine Bomben haben immer eine Spur von Cannabis, weil er bei den Taliban nicht gelernt hat, Einweghandschuhe über die verkifften Pfoten zu ziehen. Noch bevor Zara die neue Mischung erkennt (TNT, Kali oder auch Nitro und Eigenmischungen), bemerkt er, dass der kiffende Bombenbauer von Indica zu Sativa gewechselt ist, weiß der Teufel warum, aber die anderen Geruchsspuren sind die gleichen geblieben, die Kackereste unter den zu langen Nägeln der linken Hand zum Beispiel. Zara sitzt wieder. Von unten hört sie die Stimme des geilen Zwergs, der ein herzzerreißendes Umm Kulthum Lied anstimmt, das leise Meckern seiner Lieblingsziege weht dazwischen, ein Hauch der Haschisch-Shisha des Zwergs, auf der Anhöhe über Kabul ist die Luft nicht so verpestet wie im Kessel der Stadt. Ein Zittern durchfährt Zara. Was ist das? Dieses Molekül kennt er nicht und regt ihn so auf, dass er aus dem MDMA-Traum aufwacht.

Anti knurrt: Die Luft ist rein, wir können raus.

Tuli hat mit manchem gerechnet. Aber dass plötzlich fünf Hunde und ein schwer vermummter Wuffwuff einfach so durch eine Brandmauer morphen, so was hat er noch nie gesehen. Das ist doch UNMÖGLICH! Ihm geht es so ähnlich wie den Leserinnen und Lesern der Krautreporter, die solche Formate wie unsere Kynästhesie für VÖLLIG ABWEGIG UND DURCHGEKNALLT HALTEN (aber so ist sie und so soll sie sein!).

Wuffwuff beschließt, Tuli noch nicht einzuweihen und schlägt vor, mit ihm und den Hunden einen Ausflug in den Plänterwald zu unternehmen. In einem vergessenen Zauberwinkel finden sie dieses antike Karussel. Hier möchte Tuli das Aufmacher-Bild für seine STORY aufnehmen. DER IRRE TYP MIT SEINEN HUNDEN. Tuli hat, bevor er sich auf den Journalismus warf, am Warburg-Institute Kunstgeschichte studiert. Er will mit seinem Smartphone zum ersten Mal den von ihm entwickelten Dämonenfilter ausprobieren. Wann wenn nicht jetzt könnte der sich mit diesen schrägen Figuren bezahlt machen!

Wie kommt plötzlich Angela Merkel ins Bild? Was sollen diese Bodyguards? Tuli weiß nicht, wie ihm geschieht. Macht das sein Dämonenfilter? Oder hat Wuffwuff die Finger im Spiel? Keine Sekunde zögert Tuli . Das Bild ist mehr wert als Drölfzigmilliarden Worte. Auf dem Weg in den Plänterwald hat er Wuffwuff zugetextet, was er alles über ihn schreiben wolle und dass seine Bombengeschichte ihn ganz groß rausbrächten. Für die ZEITUNG wäre das ein Knüller. Wuffwuff hat dazu nur geknurrt: „Du willst mit Deinem Job doch nicht ernsthaft Geld verdienen!“

Das sah Tuli ein. Wenn ich Geld verdienen wollte, säße ich in einer dieser Mitte-Agenturen und erfände jeden Tag so Wörter wie STABILITÄTSANKER oder WACHSTUMSLOKOMOTIVE. Darauf habe ich keine Lust. Das Bild mit der Kanzlerin vor dem ZAUBERKARUSSEL, das ist eine andere Nummer.

Jetzt schüttelt E.T. der Bundeskanzlerin die Hand. Tuli fasst es nicht. Eben noch war E.T. doch nur eine Karusselfigur (neben dem Dinosaurier und dem Einhorn). Jetzt schüttelt er Angela Merkel die Hand und sagt zu ihr offenbar „Wir Außerirdischen müssen zusammenhalten!“ Das ist bestimmt noch seltener als die Landung von Philae auf Tschuri.

Auch die Bundeskanzlerin ist irritiert. WTF zuckt ihr durch den Kanzlerinnenschädel. Was verschlägt sie in diesen Traum? Was hat sie aus ihrem Büro in den Plänterwald gebeamt? In einem Interview hat sie mal gesagt, dass sie grundsätzlich nicht albträume, was wir ihr durchaus glauben möchten. Hier ist sie in einem Tagtraum gelandet, den Wuffwuff herbeigeträumt hat. Das ist seine Stärke. Kontextualisieren. E.T. mit Merkel, das funktioniert genauso gut wie die Sammlung mit Geruchsproben aus der ganzen Welt. Wuffwuff weiß jetzt, dass er Tuli auf seiner Seite hat.

Tuli schießt eine ganze Serie mit seinem Dämonenfilter. DAS MUSS ICH FESTHALTEN, schießt es ihm durch den Kopf.

Was zeigt ihm da der höhnisch grinsende Wuffwuff? Was hat der Dämonenfilter bewirkt? Warum ist Tuli plötzlich so verzweifelt?


Kynästhesie ist eine Graphic Novel von Josefina Capelle (Grafik) und Hans Hütt (Text)
Die dritte Episode erscheint nächste Woche.