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Er habe nicht innegehalten.
So beantwortet Wirtschaftsminister Robert Habeck in Anne Wills Talkshow am 18. Juni 2023 die Frage, was sein größter Fehler beim Heizgesetz war. Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine sei es ihm und seinem Team wichtig gewesen, schnell den Gasverbrauch zu reduzieren, so Habeck. Er sei davon ausgegangen, dass dies auch die Priorität der meisten Deutschen war.
Doch als die Bild-Zeitung im Frühjahr 2023 den ersten Entwurf des Heizgesetzes veröffentlichte, war der Winter vorbei, die Gasversorgung stabil und die Krise schien vorüber. Zu diesem Zeitpunkt wollten viele Menschen keine Lösung für das Problem der Gasversorgung, das aus ihrer Sicht keines mehr war. „Diese veränderte Erwartungshaltung habe ich nicht gespürt, gemerkt, reflektiert“, sagte Habeck zu Will. „Wir haben zu lange weitergemacht wie im Jahr 2022.“
Den Stimmungswechsel verpasst: So erklärt sich der Grünen-Chef also, warum es seinem Ministerium nicht gelungen ist, das Heizgesetz so durchzusetzen, wie ursprünglich geplant.
Doch war das wirklich alles? Nein. Andere Fehler leiteten sich davon ab, räumte Habeck im Interview ein. Welche Fehler das sind, aus kommunikativer Sicht, darum geht es in diesem Text.
Ebenfalls zu erwähnen ist die Trauzeugenaffäre rund um Patrick Graichen. Der ehemalige Staatssekretär des Wirtschaftsministeriums war maßgeblich am Heizgesetz beteiligt und musste seinen Posten verlassen, weil er bei der Besetzung des Chefpostens der Deutschen Energie-Agentur (Dena) die Bewerbung seines Trauzeugen gefördert haben soll.
Die Grünen waren nicht allein für den klimapolitischen Misserfolg des Heizgesetzes verantwortlich. Zum einen fuhren die Union und Bild-Zeitung affektgeladene Kampagnen voller Fehlinformationen – nicht nur gegen das Heizgesetz, sondern auch gegen die Grünen und Robert Habeck persönlich. Darüber habe ich hier bereits berichtet. Zum anderen regieren die Grünen in einer Koalition. Schon im Koalitionsvertrag haben sich die Mitglieder der Ampel-Regierung darauf geeinigt, das Heizgesetz zu erneuern. Im Laufe der Debatte verschrieb sich die FDP jedoch kurzerhand dem Lager der Opposition, und die SPD verhielt sich auffällig still. Auch darum geht es in diesem Text.
Meine Hoffnung ist, dass wir aus dieser Fehleranalyse lernen, um zukünftig konstruktivere Debatten über Klimamaßnahmen führen zu können.
Ein Gesetzesentwurf ohne soziale Abfederung
Der medial am meisten diskutierte Fehler der Grünen war, dass der erste Gesetzesentwurf keinerlei Angaben zu Förderungen enthielt.
Nun ist es so, dass Förderprogramme nie Gesetzesrang haben, weshalb sie nicht im Gesetz stehen. Das erklärte Robert Habeck auch Anne Will, als diese ihn auf das fehlende Förderprogramm ansprach. „Ich will mich da jetzt nicht rausreden“, sagte er, „aber das sind verschiedene Stränge: Das eine ist das Gesetz, das andere ist die Förderung.“ Dennoch habe er eine üppige Ausfinanzierung von Anfang an mitgedacht. „Die Gelder stehen bereit“, so Habeck.
Robert Habeck sagte, dass der erste Gesetzesentwurf, den die Bild-Zeitung Anfang März veröffentlichte, noch gar nicht für die Öffentlichkeit bestimmt und bewusst an die Presse durchgestoßen worden war, „um dem Vertrauen in die Regierung zu schaden.“
Mitgedacht ist allerdings nicht gleich mit kommuniziert, und so entstand der Eindruck, dass dieses Gesetz für die Bürger und Bürgerinnen sehr teuer werden wird. So als sollte eine Rentnerin, mit kleinem Einkommen, in einem kleinen Haus in Niedersachsen genauso viel zahlen wie eine Unternehmerin, die mit dem Privatjet in den Urlaub fliegt. Das ist ungerecht und moralisch nicht plausibel. Viele Menschen waren verunsichert und entsetzt.
Erst am 22. Dezember veröffentlichte die Bundesregierung Angaben zur Förderung beim Heizungstausch. Die wichtigsten Eckpunkte der neuen Förderung:
- Eine Grundförderung von 30 Prozent der Kosten wird es für alle Hauseigentümer, Vermietende, Unternehmen, gemeinnützige Vereine und Kommunen geben, die alte fossile Heizungen austauschen.
- Weitere 30 Prozent Förderung hängen von deren Einkommen ab: Die Grenze liegt bei jährlich 40.000 Euro zu versteuerndem Haushaltseinkommen.
- Maximal sind 70 Prozent Förderung möglich.
In der Regierung ist diesbezüglich mehr soziologische Kompetenz gefragt, sagt Soziologe Steffen Mau im Interview mit dem Spiegel. „Zumindest ein Gespür dafür, in welchen moralischen Ökonomien sie sich bewegt“, ergänzt er. Denn während die Klimafrage für die Ober- und Mittelschicht vor allem eine Frage des Lebensstils ist, ist sie für Menschen in den unteren Schichten immer an die Frage gekoppelt: Kann ich mir das leisten? „Das haben die Grünen […] zu spät verstanden“, sagt Mau.
Für die Opposition war das ein „gefundenes Fressen“, sagt Barbara Metz, Vorsitzende der Deutschen Umwelthilfe. Hier konnten sie ansetzen und Ängste weiter schüren. Wäre von Anfang an klar gewesen, dass es Förderungen geben soll, wären die Kampagnen der Bild und der Union nicht so effektiv gewesen.
Be- und Entlastung müssen gemeinsam kommuniziert werden
Die Lehre daraus ist: Die Grünen müssen Be- und Entlastung gemeinsam kommunizieren. Sie sollten von Anfang an ein Gefühl praktischer Machbarkeit vermitteln.
Laut der Planetary Health Action Survey (PACE) des Institutes für Planetary Health Behaviour, das die Handlungsbereitschaft der Deutschen in Bezug auf Klimaschutz untersucht, haben immer mehr Menschen den Eindruck, dass sie aufgrund von Klimaschutzmaßnahmen Geld verlieren. Aktuell geben circa 40 Prozent der Befragten an, durch Entscheidungen in Bezug auf die Klimakrise Geld verloren zu haben. Letztes Jahr waren es noch 30 Prozent.
Diesem Eindruck muss entgegengewirkt werden. Denn letztlich werden die Folgen der Klimakrise kostspieliger sein und Menschen mit wenig Geld schlimmer treffen als Menschen mit viel Geld. Diese Tatsache wird in der öffentlichen Diskussion bisher kaum thematisiert.
Doch wie geht das?
Zum Beispiel hätte das Bundeswirtschaftsministerium eine Förderung für Wärmepumpen anbieten können, statt ein großes Verbot aufzufahren, sagt Barbara Metz, Vorsitzende der Deutschen Umwelthilfe. Menschen hätten sich dann aktiv für eine klimagerechte Heizung entscheiden können und die Möglichkeit gehabt, Veränderung mitzugestalten, statt sie gefühlt nur zu erdulden oder zu erleiden.
Eine weitere Idee kommt aus den Niederlanden, wie Politikwissenschaftler Martin Unfried beim Klimareporter berichtet. So kommunizierte die niederländische Regierung bei einem ähnlichen Gesetzesvorhaben, dass Hybrid-Wärmepumpen zum Standard werden würden. Hybrid-Wärmepumpen – das klingt flexibel und technologieoffen, und die Anschaffungskosten dafür sind günstiger als für reine Wärmepumpen. Das nimmt denen ihr Argument, die auf Technologieoffenheit pochen und den finanziellen Ruin der Hausbesitzer befürchten. Widerstand gegen diese Pläne gab es in den Niederlanden bisher wenig, so Unfried.
Auch in Deutschland sind Hybrid-Wärmepumpen vorgesehen, allerdings wählte das Wirtschaftsministerium eine andere Formulierung: Es sprach von Heizungen, die mindestens zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden. Es gelang ihr nicht, diese Regel „so zu kommunizieren, dass auch die Möglichkeit der flexiblen Hybridlösung im Vordergrund stand“, schreibt Unfried. „Das war eine verpasste Chance.“
Mangelnde Antizipation der Gegenkampagne
Der zweite Fehler der Grünen war, dass sie anscheinend unterschätzten, zu welchen Mitteln die Opposition mit ihrer Gegenkampagne greifen würde.
Zwar waren die Grünen vorbereitet, als die Union ihre #fairheizen-Gegenkampagne lancierte. Als diese live ging, veröffentlichten sie eine Website mit dem genau gleichen Titel sowie Posts in den sozialen Medien. Darin riefen sie User:innen auf zu erzählen, wie eine Wärmewende sozial gerecht ginge. Damit versuchte die Partei, die Fehl- und Falschbehauptungen richtigzustellen, die die Union verbreitete.
Das Problem: Wer nur reagiert, statt eine eigene Geschichte zu erzählen, läuft Gefahr, die Botschaften der Gegenseite zu betonen. Denn allein die Erwähnung eines Themas, auch in verneinter Form, führt dazu, dass dieses Thema in unseren Gedanken präsent ist.
Warum das so ist, erklärt die Framing-Theorie nach dem amerikanischen Linguisten George Lakoff. Um zu zeigen, wie Framing funktioniert, verwendet Lakoff die Metapher: „Denke nicht an einen Elefanten.“ Wenn jemand das sagt, ist das Erste, woran du denkst, vermutlich ein Elefant, weil das Bild des Elefanten in deinem Kopf bereits aktiviert wurde. Das Beispiel zeigt, wie schwer es ist, bestimmte Bilder oder Konzepte aus unserem Denken auszuschließen, sobald sie einmal aufgerufen wurden. Das gilt auch für Fehl- und Falschinformationen.
Klimaschutzgesetze brauchen Begleitkommunikation
Folglich sollten die Grünen beim nächsten Klimaschutzgesetz von vornherein versuchen, ihr eigenes Narrativ durchzusetzen und Fehl- und Falschinformationen vorzubeugen. „Es ist wichtig, voranzugehen und konstruktive Stimmung zu erzeugen“, sagt Ute Symanski, Kommunikationswissenschaftlerin und Beraterin für Politik und Wissenschaft.
Gleichzeitig sieht Ute Symanski es kritisch, dass es kaum noch möglich scheint, Klimagesetze durchzubringen „ohne eine Werbeagentur zu beauftragen.“ In einer idealen Welt, so Symanski, würden alle beteiligten Akteure aus Politik, Medien und Zivilgesellschaft „einen neuen Konsens vereinbaren, was das Niveau der Auseinandersetzung angeht.“
Ein Narrativ zu entwickeln, beginnt damit zu überlegen, was Menschen brauchen, um Klimamaßnahmen zu akzeptieren. Eine Umfrage des Instituts für Planetary Health Behaviour untersucht Faktoren, die das beeinflussen. Laut einer Erhebung aus dem September 2023 haben Personen eine höhere Handlungsbereitschaft zum Klimaschutz unter anderem dann, wenn sie aktuell diskutierte Maßnahmen als effektiv einschätzen, größere Gesundheitsrisiken durch den Klimawandel wahrnehmen oder beobachten, dass sich andere für den Klimaschutz engagieren. Hier sollten Kommunikationsstrategien ansetzen und Botschaften vermitteln, die die Handlungsbereitschaft von Menschen erhöhen.
Ebenfalls gilt es, Menschen von vornherein gegen falsche oder irreführende Informationen zu immunisieren – bevor sie anfällig dafür werden, diesen Glauben zu schenken. Die Wissenschafft nennt das „Prebunking“.
Dem gegenüber steht das sogenannte „Debunking“, also der Versuch, Fehl- und Falschinformationen zu korrigieren, wenn sie bereits verbreitet sind. Wie bei Faktenchecks. Oder bei der Website der Grünen, mit der sie auf die Unionskampagne reagierten. Debunks erreichen jedoch nicht so viele Menschen wie Fehlinformationen selbst. Und sind die Fehlinformationen einmal in der Welt, beeinflussen sie weiter unser Denken, selbst wenn sie jemand richtig stellt.
Dabei überlegen sich Kommunikationsexpert:innen vorab, welche bereits verbreiteten, größeren Erzählungen, sogenannte Narrative, die Gegenseite ausnutzen und Mythen daraus ableiten könnte.
Beim Heizgesetz verbreitete sich zum Beispiel, dass alte Gas- und Ölheizungen ab sofort verboten seien – ein Irrtum, der sich auf eine größere Erzählung über die „Verbotsideologie der Grünen“ zurückführen lässt. Auch der Mythos eines Kostenschocks kursierte. Dieser passt in das Narrativ vom teuren Klimaschutz, das gleichzeitig verschweigt, welch hohe Kosten die Klimakrise verursacht.
Beim Prebunking entwickeln Kommunikationsexpert:innen dann Botschaften, die über diese Narrative aufklären. Wie eine Impfung sollen sie wirken.
Eine zweite Prebunking-Methode ist es, Leser:innen über Manipulationstechniken aufzuklären, die Verbreiter:innen von Desinformationen verwenden. Etwa Whataboutism oder Dekontextualisierung. So können sie falsche Informationen schneller erkennen, egal zu welchem Thema.
Whataboutism ist, wenn auf eine Aussage oder komplexe Frage in einer Diskussion mit einer Gegenfrage reagiert wird und so die Aufmerksamkeit auf ein anderes Thema gelenkt werden soll. Dekontextualisierung heißt, dass ein Video, Bild oder eine Aussage aus dem Kontext gerissen wird und so eine neue, irreführende Bedeutung bekommt. Wie das geht, beschreibt ein Google-Projekt, unterstützt durch das investigative Recherchezentrum Correctiv, die Neuen Deutschen Medienmacher:innen und andere mehr.
Auch die Grünen hätten sich vorab solcher Methoden bedienen können. Prebunking ist effektiv, weil es präventiv agiert, statt Falschmeldungen erst nach deren Verbreitung richtigzustellen. Es setzt auf Bildung, kritische Denkfähigkeiten und die Stärkung der Medienkompetenz, um Menschen widerstandsfähiger gegenüber irreführenden Informationen zu machen.
Die FDP stellte sich gegen ein Gesetz, das sie selbst viermal beschlossen hatte
Bei all dem hätten die Grünen nicht auf sich allein gestellt sein müssen. Schließlich sind sie Teil einer Regierung, die sich gemeinsam vorgenommen hat, das Heizgesetz zu erneuern. Doch vom gemeinsamen Regieren fehlte in der öffentlichen Debatte um das Heizgesetz jede Spur.
Die FDP versuchte via öffentlichem Druck und einem PR-Stunt, die Heizpläne zu verzögern – und das, nachdem sie dem Gesetz bereits viermal zugestimmt hatte.
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Zusage: November 2021, als die FDP den Koalitionsvertrag unterzeichnete. In diesem war die GEG-Novelle bereits vorgesehen. Sie sollte ab 2025 in Kraft treten.
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Zusage: Frühjahr 2022, als die Koalitionspartner angesichts des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine gemeinsam beschlossen, das Datum des Heizgesetzes auf 2024 vorzuziehen.
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Zusage: Ende März 2023, als die Koalitionspartner sich nach 30 Stunden Koalitionsausschuss auf ein Gesetz einigten und vereinbarten, dass es bis zur Sommerpause verabschiedet werden soll.
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Zusage: Mitte April 2023, als das Bundeskabinett das Heizgesetz verabschiedete – mit Stimmen der FDP. Bundesfinanzminister Christian Lindner versah es dabei mit einer Protokollnotiz. Darin ließ er festhalten, dass er noch Verbesserungsbedarf gegenüber dem Gesetzentwurf sehe.
Das Gesetz sollte daraufhin in den Bundestag, doch die FDP blockierte die Bundestagsdebatte.
Zum einen lancierte sie mit „handwerklich schlecht gemacht“ und „zurück in die Montagehalle“ Formulierungen, die es in die meisten Medien schafften – und erweckte somit den Eindruck, das Bundeswirtschaftsministerium sei unfähig.
Auch Anne Will konfrontierte Robert Habeck mit dem Vorwurf, das Gesetz sei „handwerklich schlecht gemacht.“
Zum anderen pochte die FDP immer wieder auf mehr „Technologieoffenheit“, obwohl FDP-Chef Christian Lindner das Gesetz bereits im April 2023 als technologieoffen und pragmatisch gelobt hatte.
Der Höhepunkt der FDP-Stimmungsmache gegen das Heizgesetz war ein Katalog mit 77 Fragen, den sie dem Wirtschaftsministerium vorlegte. Sie könnten nicht weiter über das Heizgesetz verhandeln, bevor diese nicht beantwortet seien, hieß es aus der Partei. Mehr als zwei Stunden nahm sich Robert Habeck daraufhin Zeit, um Frage für Frage zu beantworten. Daraufhin tauchten in den Medien weitere Fragenkataloge auf, mal mit 100, mal mit 113 Fragen. Einige davon waren rhetorisch, andere unleserlich oder doppelt. Dabei interessant: Im Wirtschaftsministerium kamen diese erweiterten Fragenkataloge nie an. Kritiker:innen bezeichnen die Aktion daher als PR-Stunt, einen Versuch, das Heizgesetz zu verschleppen. Auf unsere Nachfrage antwortete der bau- und wohnungspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion Daniel Föst: „Aufgrund der unterschiedlichen Blickwinkel entstanden mehrere Fragenkataloge. Dabei ist es nicht ungewöhnlich, dass die Antworten wiederum neue Fragen aufwerfen.“
Verzögern ist das neue Leugnen
Woher kam der Haltungswechsel innerhalb der FDP? Wieso verzögerte sie plötzlich die Heizpläne?
Maßgebend dabei war Frank Schäffler, FDP-Abgeordneter im Bundestag, der das Heizgesetz als „Atombombe für unser Land“ bezeichnete. Schäffler landete auf dem FDP-Parteitag Ende April 2023 einen Coup gegen FDP-Chef Lindner, indem er einen Protest-Dringlichkeitsantrag gegen das Heizgesetz stellte. Sein knapp zwei Seiten langer Text richtet sich immer wieder explizit gegen die Politik der Grünen, namentlich gegen Robert Habeck. Seine FDP-Kolleg:innen stimmten dem Antrag zu, entgegen Lindners Vorhaben, das Gesetz durchzusetzen.
Schäffler ist in Klimadebatten kein Unbekannter. 2014 hat er die Klimakrise noch öffentlich geleugnet, in einem Beitrag fürs Handelsblatt. „Ich bekenne hiermit: Ich bin ein Klimaskeptiker“, schreibt er. Der sehr aggressive Text enthält lauter Begriffe, die heute noch gängig sind: „Klimahysterie“, „Schuldkomplex“, „Umerziehungsversuche“.
Zudem hat Schäffler Verbindungen zu einflussreichen Klimaschutzgegner:innen. Das deckt der Journalist Christian Stöcker in seiner Spiegel-Kolumne im Juni 2023 auf. Er zeigt: Schäffler hat das sogenannte Prometheus-Institut gegründet, das Teil des Atlas Network ist. Zu deren Spendern gehören bzw. gehörten wiederum ExxonMobil, Philip Morris sowie der US-Multimilliardär Charles G. Koch. Letzterer ist einer der einflussreichsten Klimaschutzgegner:innen aus den USA, dessen Unternehmen Öl- und Chemieunternehmen „Koch Industries“ zu denjenigen gehört, die am meisten zum Klimawandel beitragen. Über die Jahre hat Koch Hunderte Millionen Dollar in Desinformation und Lobbyismus gesteckt, so Stöcker.
Schäffler weigere sich beharrlich, die Finanziers seines Instituts offenzulegen und verweist lediglich auf „ein paar Familienunternehmen“, so Stöcker. Interessanterweise ist Schäffler auch im sogenannten Strategischen Beirat der Organisation „Die Familienunternehmer“ tätig, einer Gruppe, die sich vehement gegen jegliche Form von Klimaschutzregulierung einsetzt.
Neben Koch gibt es weitere Einzelpersonen, aber auch radikale Parteien, alternative Medien und Wirtschaftsverbände, die bewusst den Klimadiskurs manipulieren, sagt Politikberater Johannes Hillje. Den Klimawandel leugnen, das funktioniert heute allerdings nicht mehr. Zu groß ist der wissenschaftliche und gesellschaftliche Konsens. Daher nutzen Gegner:innen andere kommunikative Strategien, sagt Hillje. Vor allem das Verzögern und Verschleppen von Klimapolitik. Diese Strategien haben bereits Eingang in etablierte Medien und Parteien gefunden – so auch in die FDP, die damit effektiv die Politik der Grünen verzögerte.
„Klimabremser sind gefährlicher als Klimaleugner, weil sie auf den ersten Blick den wissenschaftlichen Konsens des menschengemachten Klimawandels akzeptieren. Sie verbreiten dann aber gezielt bestimmte Mythen und Erzählungen, um eine Stimmung gegen jeglichen Klimaschutz zu schüren“, sagt Johannes Hillje.
Ein stiller Scholz
Und die SPD? Inwiefern ist Bundeskanzler Olaf Scholz mitverantwortlich für die Fehler bei Planung und Kommunikation? Diese Frage beleuchtet die Süddeutsche Zeitung in einem Artikel vom Juli 2023 und stellt fest: Intern war Scholz zwar bemüht, Kompromisse zu finden und forderte die Koalitionäre zu mehr Disziplin auf. „Aber in der öffentlichen Heizdebatte wirkt Scholz so abwesend, als habe er das Regieren – und die Qualen des Regierens – seinem Vizekanzler Habeck überlassen“, heißt es.
Ein Beispiel: Am Anfang der Heizdebatte hätte der Kanzler, wie auch bei anderen großen Reformen üblich, eine Rede halten können, um die Menschen zu ermutigen und Klarheit zu schaffen. Doch nichts dergleichen. Das Heizgesetz „bricht einfach über die Deutschen herein. Ohne Erklärung, ohne Ausblick, ohne Vorwarnung.“ Die SPD war also nicht bereit, die Ziele und Inhalte des Gesetzes öffentlich zu verteidigen – und ließ die Grünen damit allein.
Nach Aussagen der SPD-Bundestagsfraktion war es die Hauptaufgabe der Partei, Grüne und FDP „mit ihren auseinandergehenden Ansichten an einem Tisch zu halten, damit schlussendlich ein gutes und sozialverträgliches Gesetz herauskommt.“ Ihrer öffentlichen Informationspflicht sei die SPD zwar nachgegangen, dennoch war die „Kommunikation nach außen offensichtlich nicht ideal“, um „Bürgerinnen und Bürger besser mitzunehmen.“
Der größte Verlierer ist der Klimaschutz
So ergibt sich eine Mischung aus Kommunikationsfehlern, dem Einfluss der Klimabremserlobby, mangelnder Zusammenarbeit in der Regierung sowie einer gezielten Gegenkampagne, die zur Folge hat, dass das Heizgesetz nun in stark abgeschwächter Form in Kraft treten wird.
Im endgültig verabschiedeten Gesetz rücken Wasserstoff und Biomasse in den Vordergrund; der Einbau neuer Öl- und Gasheizungen bleibt länger erlaubt und wird unter bestimmten Umständen sogar weiter staatlich gefördert.
Damit wird Deutschland weder die Wärmewende noch seine Klimaziele schaffen, sagt der Klimaökonom Ottmar Edenhofer, den Anne Will im Gespräch mit Robert Habeck zitiert. Dieser zeigt sich dennoch optimistisch. Denn immerhin gebe es ein Gesetz, sagt er. Zeitweise sei das nicht mehr sicher gewesen. Das neue Gesetz habe zwar einen anderen Zugang als ursprünglich geplant, sei aber nicht entkernt und könne mehr erreichen als Wärmeklimapolitik in Deutschland je zuvor.
Dennoch sei die „bittere Konsequenz“ der Debatte, dass das Einhalten der Klimaschutzziele mit dem verabschiedeten Heizgesetz unwahrscheinlicher wird, so Habeck.
Redaktion: Rico Grimm, Schlussredaktion: Susan Mücke, Fotoredaktion: Philipp Sipos; Audioversion: Iris Hochberger