Leo Bigger ist ein Prediger. Aber nicht irgendeiner. Sondern einer der bekanntesten freikirchlichen Prediger im deutschsprachigen Raum. Seine Ausstrahlung? Extrem fernsehtauglich. Wenn Dieter Bohlen in der Schweiz eine Kirche gegründet hätte, dann sähe das Ergebnis so aus wie eine Leo-Bigger-Predigt. Biggers Predigtstil wirkt modern. Er tritt locker und mit einer Prise Glamour auf. Würde man seine Predigten ohne Ton ansehen, man käme nie auf die Idee, dass er über Gott spricht und darüber, warum Sex vor der Ehe eine Sünde ist. Biggers Name ist in der freikirchlichen Szene neben Größen wie Ulrich Parzany auch in Deutschland bekannt.
Bigger leitet die International Christian Fellowship (ICF), eine überkonfessionelle Freikirche, die er 1996 mit seiner Frau Susanna in Zürich gegründet hat. Mittlerweile gibt es 61 Gemeindeableger auf der ganzen Welt und 32 Standorte allein in Deutschland. Die ICF, mit Leo Bigger an der Spitze, ist gewissermaßen der Starbucks unter den freikirchlichen Gottesdiensten: hip, stylish und mit einem Design der Gottesdienste, das so ansprechend ist, dass selbst eine Predigt über die Erbsünde wie eine Apple-Keynote wirkt.
Jedoch besitzt Leo Bigger auch eine weniger sympathische Seite. Er sehe in der LGBTQIA-Bewegung eine Gefahr für die Gesellschaft, sagt Susanne Schaaf von Infosekta. Trotzdem zieht er mit der ICF Massen an. Laut eigener Aussage nahm die ICF im Jahr 2022 Spenden in Höhe von 7,7 Millionen Schweizer Franken ein. Mit dem Aufkommen von Online-Gottesdiensten und Livestreams hat die ICF ihre Reichweite seit der Pandemie ausgebaut.
Während die ICF unter Leo Biggers Leitung ihre Präsenz durch Livestreams wie ein Netflix für Jünger einem internationalen Publikum näherbringt, erinnert mich dies an meine eigenen Erfahrungen in freikirchlichen Gemeinden. Im Alter von 18 Jahren nahm mich ein Freund mit in einen Gottesdienst, nachdem ich mit ihm mehrere Wochen einen Bibelkreis besucht hatte, in dem ich lernte, Gott per du anzusprechen. In den folgenden Jahren radikalisierte ich mich und war schließlich fest davon überzeugt, dass alle Nichtchristen in die Hölle kommen. Ich trug T-Shirts mit provokanten Jesussprüchen und hörte Musik mit Texten über Gottes Liebe. Nachdem ich mehrmals aus freikirchlichen Kreisen ausgegrenzt wurde, schloss ich 2016 mit allem ab und wollte nichts mehr mit Gott und dem ganzen Drumherum zu tun haben.
Perfekte Frisur, perfektes Licht, perfekter Sound
Als ich letzte Woche Biggers Video „So kannst du um Heilung beten“ angezeigt bekam, erinnerte mich der Titel an die skurrilen Heilungsgottesdienste, die ich selbst besucht hatte. Pastoren verkündeten, Menschen mit unheilbaren Erkrankungen könnten, vom Heiligen Geist berührt, wieder gesund werden. Ich hatte in meiner Freikirchenzeit nie eine echte Heilung miterlebt, war aber fest davon überzeugt, dass Gott die Kraft dazu hatte.
Dabei leide ich seit meiner Kindheit an einer Krankheit, die mich wahrscheinlich bis an mein Lebensende begleiten wird: wiederkehrende Depressionen. Und ich habe eine klitzekleine Hoffnung, eines Tages frei zu sein von meiner Krankheit. Dabei ist mir bewusst, dass man mit den Hoffnungen, Träumen und innersten Wünschen von Menschen hervorragend Geld verdienen kann, wie mir eine Coaching-Expertin verriet.
Deshalb bin ich neugierig, wie solch ein Superstar wie Bigger Heilung verkauft. Das Wort ist verführerisch, denn Heilung ist in sich radikal. Sie ist keine momentane Genesung, nach der man wieder krank werden kann. Heilung ist definitiv, es gibt ein klares, finales Ende des Leidens. Wer sagt, „ich bin geheilt“, spielt etwas mit dem Feuer, weil es für eine hundertprozentige, sofortige Heilung medizinisch keine Garantie gibt. Also bereite ich mir eine Kanne Tee zu, setzte mich gemütlich ins Krautreporterbüro und denke: Showtime, Leo!
Mitten in der Predigt beginnt das Video, das mir das Gefühl gibt, irgendwo reingestolpert zu sein. Da steht Leo Bigger vor einem gigantischen, meterlangen Hintergrund, der schreit: Bete wie niemals zuvor! Mit zerrissener Jeans und Sneakern schaut er in die Kamera, als ob er die Tagesthemen präsentieren würde. Perfekte Frisur, perfektes Licht, perfekter Sound – das ganze Paket.
Gott wird in diesem Jahr ein gewaltiges Wunder vollbringen
„Das Thema von heute heißt: Wie kann ich für Heilung beten?“, stellt Bohlen, ich meine Bigger, das Thema des Tages vor. „Vielleicht hast du ein Gesundheitsproblem, vielleicht eine Finanzchallenge, eine Ehechallenge, vielleicht bist du Single und du sagst, das ist auch meine Challenge.“ Na, vielen Dank auch! Da stehe ich also doof im Regal zwischen Schnupfen und Steuerschulden – als Single. Jedoch muss ich Bigger recht geben. Das Singledasein ist für mich eine Herausforderung, weil es mich immer wieder einsam macht und ich mich frage, ob ich als Mensch ohne Anhang genug bin.
Drei Sätze später sagt Bigger „Und wir haben einen Wunder bewirkenden Gott an unserer Seite!“ Dabei wedelt er mit den Händen. Ja, okay, denke ich: Warum auch Zeit verlieren mit Dingen wie Therapie oder Budgetplanung, wenn man direkt zu Gott für den ultimativen Lebens-Hack beten kann? Bigger dreht noch weiter auf: „Ein Arzt kann eine Diagnose erstellen, aber Gott bleibt nicht bei der Diagnose stehen, sondern Gott nimmt die Diagnose und verwandelt es in ein ganz krasses Wunder.“
Ich muss eine Pause machen, drücke die Stopptaste. Wie kommt Bigger auf die Idee, Ärzte wären nur soweit kompetent, eine Diagnose zu stellen – aber alles, was danach kommt, kann nur Gott? Als ob Medizinstudierende nach dem ersten Semester einfach sagen: „Okay, das wars, der Herrgott übernimmt ab hier.“ Am liebsten würde ich mit einem zweiten Mikrofon auf die Bühne gehen, mich neben ihn stellen und fragen: dein Ernst jetzt?
Bigger macht es noch … BIGGER. „Und ich möchte dich fragen, was ist dein Problem? (…) Probleme sind für Gott nicht ein Problem, sondern Probleme nimmt Gott und er wird es (sic!) in diesem Jahr in (sic!) ein gewaltiges Wunder vollbringen.“ Bigger baut in seine Predigten immer wieder grammatikalische Fehler ein. Unfreiwillig komisch, finde ich.
Wir können das auch!
In manchen Freikirchen, besonders bei den Bewegungen der Pfingstler und Charismatiker, gehört der Glaube an Wunderheilungen zum theologischen Einmaleins. Von den Gläubigen werden biblische Erzählungen der „Zeichen und Wunder“ als heute erreichbare Realität verstanden. So wird aus „Jesus heilte Kranke“ schnell ein „Hey, wir können das auch!“
In Zeiten der Not klingt das verlockend. Wer benötigt schon Ärzte, wenn man den „Wunder bewirkenden Gott“, wie Bigger sagt, an seiner Seite hat? Aber wenn das lang ersehnte Wunder dann doch ausbleibt, stehen die Gläubigen da – mit ihren Problemen und einem Haufen Selbstzweifeln: „Habe ich nicht stark genug geglaubt?“ Das ist etwa so, als würde man sich selbst die Schuld geben, weil man nicht fliegen kann, obwohl man fest daran glaubt.
Und dann kommt Bigger und behauptet: „Und ich möchte ganz am Anfang unserem Gott für diesen Fakt einfach einen Glaubensapplaus geben, dass Gott mein Problem in diesem Jahr in ein Wunder verwandelt.“ Moment mal, hat er gerade „Fakt“ gesagt? Ein Fakt ist eine Aussage, die objektiv wahr und durch Beweise oder Belege verifizierbar ist. Basierend auf wissenschaftlichen Erkenntnissen, nicht auf drei Bibelstellen und einem Amen obendrauf.
Die Bibel sagt, das ist die Kollektivsünde
Ich atme genervt aus, und merke, wie ich zappelig werde. Das passiert immer, wenn in mir alle KirchenAlarmglocken läuten. Dann muss ich etwas tun. Etwa eine Runde im Park spazieren gehen, oder mit einer Kollegin über journalistische No-Gos fachsimpeln, wie das Aufstellen wilder Behauptungen ohne wissenschaftliche Evidenz. Stattdessen spaziere ich in die Küche, greife einmal in die Weihnachtssüßigkeitentüte, die die Kollegin netterweise dorthin gestellt hat, und setze mich wieder an den Schreibtisch.
Bigger bohrt nach: „Jetzt kommt die große Frage, warum bin ich dennoch krank?“ An diesem dummen Missgeschick kommt er nicht vorbei, denn Menschen werden nicht nur krank, sie bleiben es oft auch – manchmal sterben sie sogar daran. Die Regeln der Realität gelten auch für den Wunder prophezeienden Pastor. Kein Problem für Bigger. Er erklärt das mit der sogenannten Kollektivsünde:
„Es gibt Kinder, die kommen auf die Welt, die haben noch gar nichts falsch gemacht, nicht mal was falsch gesagt, haben schon ein Handicap und du sagst, wie kann das möglich sein? Und die Bibel sagt, das ist die kollektive Sünde.“ Was zur Hölle? „Weil jeder von uns stirbt und das war am Anfang ja auch nicht so gedacht“, sagt er. Der Tod ist ein Versehen?
Adam und Eva naschten von der verbotenen Frucht
Wenn du genauso wie ich Biggers Erklärung nicht verstehst, möchte ich dir den Begriff einordnen. In freikirchlichen Gemeinden wird die, „Erbsünde“, so wird sie oft genannt, als ein Zustand des Versagens verstanden. Dieses Konzept basiert auf der Geschichte vom Sündenfall im Garten Eden, wie sie im Buch Genesis beschrieben wird.
Die ersten Menschen, Adam und Eva, naschten an einer Frucht, die Gott verboten hatte. Und das war? Eine Sünde. Gott bestrafte die beiden mit dem Ausschluss aus dem Paradies – und dem Tod. Sympathischer Gott, oder? Und damit bestrafte er alle Nachkommen, also die gesamte Menschheit.
Das meint Bigger, wenn er sagt, „Weil jeder von uns stirbt und das war am Anfang ja auch nicht so gedacht.“ Das klingt wie ein Autoverkäufer, der sagt: Ja sorry, aber ihr neuer Benz hat trotz TÜV eine kaputte Kupplung und sie dürfen damit auch nicht fahren. War eigentlich anders gedacht.
Alle Menschen sind Sünder:innen, weil sie die Sünde von Eva und Adam geerbt haben. So verstehen viele Christ:innen den Zustand der Menschheit. Bigger sagt: Sogar Kinder sündigen. Und die Erbsünde sei auch der Grund dafür, dass Menschen krank werden.
Du bist schuld daran!
Die Vorstellung, mir weiterhin Leo Bigger anzuhören, ist so verlockend wie eine Zahnwurzelbehandlung ohne Betäubung. Ich verbringe 90 Minuten damit, neue KI-Tools für Journalist:innen zu suchen und sie mit meinen Kolleg:innen zu teilen. Ich hänge auf Twitter rum, klicke mich durch Youtube und stelle fest: Ich lenke mich ab, weil ich keine Lust mehr auf Leo habe.
Dabei muss ich mir eines eingestehen: Ich habe Angst. Angst vor einem Satz, den viele kranke Menschen auch außerhalb von Gemeinden gesagt bekommen: DU BIST SCHULD AN DEINER KRANKHEIT. Durch meine Arbeit als Reporter für psychische Gesundheit weiß ich von vielen Betroffenen mit Depressionen, dass sie genau das plagt. Ich nutze meine Unruhe und starte nebenher auf Twitter eine Umfrage, in der ich wissen will, ob Menschen mit psychischen Erkrankungen manchmal Schuldgefühle haben. Nach zwei Stunden haben über 500 Leute geantwortet, und 60 Prozent auf Ja geklickt.
Ich gebe mir einen Ruck, mache eine Packung Gummibärchen auf, weil Zucker leider hilft, wenn man Schwachsinn ertragen muss, und schaue weiter. Leo Bigger schaut in die Kamera, nicht in die Menge und holt aus: „Heilung hat viel mehr zu tun mit meinem Herzen. Was geht ab in meinem Herzen?“
Oh, jetzt wirds gleich tiefgründig.
Die Liste meiner Sünden
Bigger: „Es gibt auch meine Sünde, die ich begehe, die mich krank macht.“ Jetzt ist es raus. Bigger hat es gesagt. Ich spule noch einmal zurück und höre mir die Stelle noch einmal an. „Die Sünde, die mich krank macht.“ Ich flüstere es nach. Schaue aus dem Fenster und überlege, was ich tun würde, wenn ich mit einer ernsthaften Krankheit konfrontiert wäre und jemand mir das erzählt.
Dieser Satz ist schlau formuliert, weil Bigger von sich spricht. Dadurch erreicht er ein bisschen Distanz zur Intensität des Satzes. Er sagt nicht: „Es ist DEINE Sünde, die dich krank macht.“ Gemeint ist es trotzdem, denn Bigger führt hier kein Selbstgespräch, sondern predigt vor Publikum in eine Kamera.
Ich lasse ihn weiterreden. Als Tipp, wie man aus der Misere kommt, empfiehlt Leo nun lässig, den Heiligen Geist um eine Erklärung dafür zu bitten, was einen krank macht. „Und dann ist man einfach ruhig. Und dann hörst du einen Gedanken, ein Wort, ein Thema.“ Bigger zählt auf, was Sünden sein können, unter anderem: Angst, Stolz, Jähzorn, Eifersucht, Sorgen oder Ungewissheit.
Ich glaube, Biggers Intention zu verstehen. Er verweist auf ein Kernprinzip christlicher Lehre: das unerschütterliche Vertrauen in Gott und dessen Macht, Wunder zu vollbringen. Dieses Vertrauen soll Gläubigen ein Gefühl von Sicherheit und innerem Frieden vermitteln. Angst und Sorge stehen dem entgegen und werden deshalb in manchen Freikirchen als Sünde verstanden.
Aber es ist gefährlich, solche Gefühle als Sünden zu bezeichnen, weil sie eine Schuld implizieren, eine Art Vergehen. Ich mit meiner eigenen Geschichte spüre das besonders stark. Einst war ich tief in der freikirchlichen Welt verwurzelt, heute stehe ich als Reporter für psychische Gesundheit auf der anderen Seite. Mein kritischer Blick auf Biggers Worte ist nicht nur der eines ehemaligen Gläubigen. Sondern auch der eines Menschen, der heftige Ängste und Sorgen kennt und der weiß, wie wichtig es ist, über sie zu sprechen, sie zu benennen und anzunehmen. Sie nicht derart zu verdammen.
Niemand wird während der Predigt eine wissenschaftliche Suche starten
Während ich darüber nachdenke, höre ich Bigger: „Man sagt, 80 Prozent der Krankheit entstehen durch psychische Dinge. Das sind Sünden. Sorgen. Ängste. Zweifel.“ Was ist das für eine Zahl? Und was meint er hier mit Krankheit. Spricht er von einer Krankheit, von allen? Es ist klar, dass diese Behauptung nicht wissenschaftlich belegt ist. Aber selbst wenn Bigger mit „80 Prozent“ eigentlich nur „total viele Krankheiten“ meint, ist die Behauptung sehr frech. Klar, psychische Faktoren wie Stress und nächtliches Grübeln beeinflussen unsere Gesundheit. Aber Gesundheit ist ein Puzzle aus Genen, Umwelt und psychosozialen Faktoren.
Ich lege meinen Kopf auf die Schreibtischplatte. Im Hintergrund rauschen die Worte Biggers an mir vorbei. Zwischendurch predigt seine Frau, die noch einmal die 80-Prozent-Lüge verkündet: „Genauso ist die Psychologie draufgekommen, dass 80 Prozent der Krankheiten ja genau deshalb beginnen, weil wir das nicht loswerden können.“ Sie bezieht sich an dieser Stelle auf das Reden über Ängste und Sorgen. Zwar betont sie hier, wie wichtig es ist, belastende Gedanken und Gefühle auszusprechen. Trotzdem sollen die 80 Prozent der Krankheiten auslösen. Die Predigt zermürbt mich psychisch mehr als jede Sünde, die ich je begangen habe. Ich stelle das Video auf stumm.
Als ich ein paar Minuten später noch einmal auf meinen Bildschirm schaue, sehe ich auf der Bühne drei Ehepaare stehen, die für die Besucher um Heilung beten, in der Mitte Bigger und seine Frau. Ich stelle den Ton wieder an. Bigger raunt, mit Klaviermusik im Hintergrund, in sein Mikrofon: „Ich sage, dass der Geist der Depressionen, Arbeitslosigkeit, Pornografie …, Rheuma, Krebs, befiel ich im Namen von Jesus Christus, dass aus unseren Körper weichen musst.“ Ich klappe meinen Laptop zu und denke: Wäre das Leben doch nur so einfach. Ein Gebet und weg sind alle Probleme, Depression, Erwerbslosigkeit, sogar Krebs.“ Und sogar die Notwendigkeit, Sätze mit richtiger Grammatik zu bauen.
Was ich mir von Leo Bigger wünsche
Supermodernes Popstar-Gehabe und mittelalterlich-konservative Inhalte, zerrissene Jeans und Beten gegen Pornos: Leo Bigger zwingt Welten zusammen, die nicht zusammenpassen, wie die Mutter Gottes und Beate Uhse.
Es ist verlockend, Heilung als einen magischen Akt zu betrachten, als ein Versprechen, das über das Menschliche hinausgeht und das alles in einem Moment pastoraler Fürbitte, zack!, über die Bühne gebracht wird. Aber in Wahrheit ist Genesung, sofern sie denn eintritt, ein langwieriger, schmerzhafter Prozess, der Akzeptanz, harte Arbeit und vor allem eine realistische Sichtweise erfordert.
Die Idee, dass Menschen selbst an ihrer Erkrankung schuld sind und der Glaube an einen Wunder vollbringenden Gott genügt, um Heilung zu bringen, ignoriert die Realität vieler Menschen, die, mit oder ohne Gott, mit Krankheiten und Problemen zu kämpfen haben.
Was ich mir von Pastoren wie Leo Bigger wünsche, die in der freikirchlichen Szene etwas zu sagen haben, ist eine christliche Tugend: Ehrlichkeit. Das Achte von den berühmten Zehn Geboten steht im Alten Testament, im zweiten Buch Mose, Kapitel 20, Vers 16: „Sag nichts Unwahres über deinen Mitmenschen.“
Ich wünsche mir, dass freikirchliche Pastoren so ehrlich zu sich und ihren Anhänger:innen sind. Und zugeben, dass das Leben komplexer, verrückter, unberechenbarer ist, als sie es gerne hätten. Anstatt zu behaupten, Krankheiten seien selbst verschuldet, könnten sie einfach mal sagen: „Hey, das Leben ist manchmal hart, aber wir sind für dich da.“ Ein wenig mehr Menschlichkeit und etwas weniger Show.
Übrigens: Ich habe Leo Bigger per E-Mail gebeten, meine Fragen zur Predigt zu beantworten. Leider hat er darauf nicht reagiert.
Redaktion: Theresa Bäuerlein, Schlussredaktion: Susan Mücke, Bildredaktion: Philipp Sipos, Audioversion: Christian Melchert