Die Jahre um den letzten Menstruationszyklus sind für Frauen wie ein Blinddate. Man kennt den Ort und auch ungefähr die Zeit des Treffens, aber was genau passieren wird, ist offen. Für die einen ist es wie ein Befreiungsschlag: keine Regelschmerzen mehr und die Verhütung ist passé. Für die anderen ist es eine Qual: Manche leiden so sehr unter Herzbeschwerden, Depressionen oder schmerzenden Gelenken, dass ein normaler Alltag fast unmöglich ist.
KR-Leserin Angela wundert sich: Warum verlaufen Wechseljahre eigentlich so unterschiedlich? Angelas Frage ließe sich schnell abtun mit der Antwort: Weil wir alle verschieden sind und unsere Leben auch. Doch in ihrer Frage verbirgt sich eine sehr interessante: Wovon hängt es ab, wie die Wechseljahre verlaufen? Ich persönlich dachte lange: Wenn ich mich nicht damit beschäftige, bekomme ich sie ja vielleicht gar nicht mit. (Das ist natürlich magisches Denken und fand mit der Recherche zu diesem Text ein Ende: Dieses Buch hat mir gezeigt, wie Wechseljahre wirklich sind
Erst einmal: Wechseljahre sind keine Krankheit. Sie sind ein normaler Übergang von einem hormonellen Gleichgewicht in ein neues. Zwischen den beiden Gleichgewichten liegt eine Zeit des hormonellen Chaos, das sich nur schwer vorhersehen lässt und sehr individuell verläuft. In dieser sehr wechselhaften Phase ist vieles möglich. Ein bisschen vergleichbar wie in der Pubertät.
Wenn Frauen diese Zeit vor allem als belastend empfinden, hat das oft mit dem Gefühl zu tun, die Kontrolle über die eigene Gesundheit zu verlieren. Von sturzbachartigen Blutungen bis zu quälender Schlaflosigkeit, von plötzlichen Hitzewallungen bis zu langanhaltenden depressiven Stimmungen, von Gewichtszunahme bis zu Gelenkschmerzen – die Wechseljahre haben einige schwere Steine im Gepäck. Vielleicht ein kleiner Trost: Die meisten Frauen haben nur eine gewisse Zeit mit schwerwiegenden Symptomen zu kämpfen.
Zudem bewerten Frauen dieselben Symptome oft unterschiedlich. Manche Frauen haben mehrere Hitzewallungen in der Woche und fühlen sich davon kaum belastet, andere leiden darunter sehr, zum Beispiel, weil sie kaum genug Schlaf bekommen. Die Wechseljahre werden oft von weiteren Umbrüchen begleitet: Die Kinder ziehen aus, die Eltern werden pflegebedürftig, die langjährige Beziehung kriselt, man wehrt sich gegen das Älterwerden. Manchmal ist es dann schwer, die Beschwerden einer einzigen Ursache zuzuordnen.
Die Zeit vor der letzten Blutung und vor allem die Jahre danach können aber darüber mitbestimmen, wie die Gesundheit im Rest des Lebens verläuft. Darauf weist die US-amerikanische Gynäkologin und Autorin Jen Gunter in ihrem Buch „Das Menopause Manifest“ hin. Sie ist überzeugt: Wer sich auf mögliche Veränderungen vorbereitet, kommt besser durch die wechselhafte Zeit. Und: Man muss nicht alles aushalten, so wie es lange Zeit hieß. Denn: Beschwerden lassen sich lindern.
Wenn Frauen in Deutschland an die Wechseljahre denken, stellen sie sich ungefähr das vor, was ich gerade beschrieben habe, in erster Linie Hitzewallungen. In Japan gilt eine steife Schulter als typisches Anzeichen der Wechseljahre. Und in China rechnen die Frauen mit psychischer Unausgeglichenheit. In Indien warten die Frauen darauf, dass ihre Sehkraft nachlässt, als Zeichen dafür, dass die Wechseljahre starten. Ob sich auch die Beschwerden entsprechend der Erwartungen in den einzelnen Ländern unterscheiden, konnte ich nicht herausfinden. Allerdings gibt es Unterschiede im Verlauf bei zwei Gruppen: Schwarze Frauen erleben stärkere Blutungen und eine längere Übergangsphase als Frauen anderer ethnischer Gruppen. Und bei Frauen mit lateinamerikanischem Hintergrund starten die Wechseljahre früher. Das legen Daten einer großen US-amerikanischen Studie nahe, der Study of Women’s Health Across the Nation, kurz SWAN.
Die SWAN-Studie begann 1994, läuft über mehrere Jahre und an ihr nehmen mehr als 3300 Teilnehmerinnen teil. Sie findet an mehreren Untersuchungszentren statt, die über die USA verstreut sind. Dabei werden in regelmäßigen Abständen Frauen zwischen 40 und 55 Jahren interviewt, die entweder Englisch, Spanisch, Japanisch oder Chinesisch sprechen. Aus diesen Frauen wird ein Teil ausgewählt, der einmal jährlich erneut befragt wird, wie sie ihren Schlaf bewerten, die kognitive Leistungsfähigkeit, die körperliche Aktivität, die Herz-Kreislauf-Gesundheit, die sozialen Umstände und ihre sexuelle Gesundheit.
Interessant ist aber, dass die Unterschiede zwischen ethnischen Gruppen insgesamt nicht größer sind als die zwischen einzelnen Frauen innerhalb einer Gruppe (Quelle). Das heißt, es muss weitere Faktoren geben, die darüber bestimmen, wie die Wechseljahre verlaufen.
Was sind Wechseljahre?
Die Weltgesundheitsorganisation WHO definiert die Menopause als das dauerhafte Ausbleiben des Menstruationszyklus. Das Wort Menopause suggeriert, dass es sich dabei eher um ein einmaliges Ereignis handelt. In Wirklichkeit ist es ein zehn bis 15 Jahre dauernder Umbauprozess, der mit der letzten Monatsblutung noch nicht abgeschlossen ist. Das deutsche Wort Wechseljahre passt deshalb viel besser.
Bereits vor der letzten Monatsblutung verändert sich einiges. Diese Zeit wird Prämenopause genannt, die Zeit um den letzten Zyklus Perimenopause und die Zeit nach dem letzten Zyklus Postmenopause. Der Zeitpunkt des letzten Zyklus heißt Menopause. Manchmal bleibt die Regel monatelang aus und es scheint, als sei die letzte Blutung schon Vergangenheit. Dann setzt sie plötzlich erneut ein. Bleibt sie ein Jahr aus, geht man davon aus, dass die Frau in der postmenopausalen Phase ist. Die letzte Blutung markiert die Grenze zwischen Peri- und Postmenopause. Man kann sie nicht im Vorhinein bestimmen.
Biologische Kennzeichen für die Übergangsphase sind vor allem drei Dinge:
- In den Eierstöcken sterben zunehmend hormonproduzierende Follikel ab.
- Deshalb gibt es größere Hormonschwankungen.
- Die hormonellen Signale aus dem Gehirn ändern sich.
Kurz zur Erklärung: Ein Follikel ist ein bläschenartiges Gebilde im Inneren der Eierstöcke, in dem eine Eizelle heranreift. Pro Zyklus reift normalerweise nur ein Ei ganz aus. Die Physiologie des Menstruationszyklus und die Rolle, die Eierstöcke und Gehirn dabei spielen, ist entscheidend, um die Änderungen während der Wechseljahre zu verstehen. Dieses Video erklärt, was beim Zyklus passiert (Quelle: Quelle: ZDF/TerraX/Anke Plascher/Ellen Haas/Anna-Lena Neidlinger/MUSIK Maximilian Mohr).
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Während der Wechseljahre produzieren die Eierstöcke weniger Östrogen und Progesteron, woraufhin die Hirnanhangdrüse (Hypophyse) mehr follikelstimulierendes Hormon (FSH) ausschüttet. Die Konzentration von FSH kann stark, mittel oder schwach ansteigen. Am üblichsten ist ein schwacher Anstieg. Da die dafür verantwortlichen Änderungen nicht gleichmäßig ablaufen, kann es zu vier unterschiedlichen Mustern kommen:
- Östrogenlevel steigen schnell an und fallen schnell ab
- Östrogenlevel steigen schnell an und fallen langsam ab
- Östrogenlevel steigen und sinken sanft
- Östrogenlevel nehmen langsam ab
Im Internet werden Tests für die Bestimmung von Hormonleveln angeboten. Auch Frauenärzt:innen bieten sie manchmal an (kostenpflichtig). Da sie lediglich Momentaufnahmen sind, sagen sie jedoch nichts darüber aus, ob die Hormonkonzentrationen nach dem Test stark oder schwach ansteigen, schnell oder langsam sinken werden. Und schon gar nichts darüber, wie lange es noch bis zur letzten Periode dauert.
Die Übergangszeit kündigt sich sehr unterschiedlich an, aber oft verändern sich die Menstruationszyklen; sie werden häufig zuerst kürzer, später länger. Manche Frauen erleben sich in dieser Zeit als selbstbewusster, kompromissloser oder durchsetzungsstärker, andere eher als belastet. Die Kombination der Anzeichen ist sehr individuell und kann sich sprunghaft ändern – oder auch sehr langsam.
Eine Studie aus dem Jahr 2020 betont, dass der Zeitpunkt des hormonellen Übergangs unter anderem vom Alterungsprozess der Follikel bestimmt wird. Und der könnte zum Beispiel durch den Zeitpunkt der ersten Regelblutung beeinflusst sein oder durch den der letzten Geburt. Auch die Frage, wie viele Schwangerschaften ausgetragen wurden, könnte eine Rolle spielen. Wie es sich damit genau verhält, muss aber noch weiter erforscht werden.
Soziale Faktoren
Wechseljahre sind in der Natur ziemlich selten. Außer bei Menschen kommen sie sonst nur noch bei vier Zahnwalarten vor: Orcas, Narwale, Belugas und Kurzflossen-Grindwale. Alle anderen Tiere bleiben fast bis zu ihrem Tod fruchtbar. Oder anders gesagt: Sie leben nach der Geburt ihres letzten Kindes nicht mehr lange. Schimpansen können bis kurz vor ihrem Tod mit circa 45 Jahren Babys bekommen, Elefanten noch jenseits der 60, Finnwale sogar bis zu ihrem 90. Geburtstag.
Nach einer gängigen Theorie (Großmutter-Hypothese) liefert das soziale Leben in einer Gruppe den Grund für die Menopause: Wenn der Nachwuchs noch lange mit den Müttern zusammenlebt, ergibt es Sinn, wenn erfahrene Matriarchinnen ihre Energie für die Aufzucht der Enkelgeneration zur Verfügung stellen. Vor allem bei begrenztem Nahrungsangebot.
Interessant ist, dass Tierarten in Gefangenschaft früher geschlechtsreif werden und früher ihr letztes Kind bekommen als in der freien Wildbahn. Teilweise leben Muttertiere noch lange nach der letzten Geburt weiter. Es wird deshalb diskutiert, ob sich die Menopause evolutionär weiterentwickelt, wenn sich die Umweltbedingungen ändern.
Daten aus Finnland aus dem 18. Jahrhundert zeigen, dass in Gruppen, in denen sowohl Kinder von jüngeren als auch älteren Frauen zusammenlebten, die Kindersterblichkeit höher war als in Gruppen, in denen nur die jüngeren Frauen Kinder hatten. Möglicherweise können solche Ereignisse dazu beitragen, dass sich sowohl soziale Normen als auch körperliche Prozesse verändern. So gehen viele Forscher:innen davon aus, dass sich die Menopause im Laufe der Evolution weiterentwickelt.
Beim Beispiel der finnischen Frauen scheint es eine Rolle zu spielen, wie die Verwandtschaftsverhältnisse sind. Lebten Schwiegermutter und Schwiegertochter zusammen und hatten beide Kinder in einem ähnlichen Alter, schien das auf Kosten der Kinder der älteren Generation zu gehen. Hatten hingegen Mütter und ihre Töchter Kinder in einem ähnlichen Alter, schien das eher nachteilig für die Kinder der Tochter zu sein. Das könnte sich auch sozial auswirken und dazu führen, dass eher die Frauen zur Familie der Männer zogen.
Körperliche Faktoren
Es gibt Anzeichen dafür, dass Unterernährung und Rauchen dazu beitragen, dass die Wechseljahre früher einsetzen. Übergewicht, ungesunde Ernährung und Alkohol können Beschwerden begünstigen.
Insgesamt scheint der Lebensstil einen Einfluss zu haben, sowohl auf den Prozess insgesamt als auch bei Beschwerden. Wie so oft wirken sich regelmäßige körperliche Bewegung, Stressmanagement und gesunde Ernährung positiv aus. Das hilft offenbar auch dabei, belastende Symptome besser auszuhalten. Diese Faktenblätter aus der SWAN-Studie geben nützliche Hinweise zu häufigen Wechseljahresbeschwerden, wie zum Beispiel brüchige Knochen, Vergesslichkeit und Hitzewallungen.
Nicht zuletzt reden natürlich auch die Gene mit. Töchter können sich an dem orientieren, was ihre Mütter und Großmütter mit den Wechseljahren erlebt haben – zumindest bis zu einem gewissen Grad.
Redaktion: Theresa Bäuerlein, Schlussredaktion: Susan Mücke, Bildredaktion: Philipp Sipos, Audioversion: Iris Hochberger