Collage: Ein Scherenschnitt eines Kopfes, darunter liegen viele Bücher.

Patrick Tomasso/Unsplash | Collage: KR

Rassismus und Identität

5 Bücher über Rassismus und wie er unseren Alltag prägt

Was hat Islamfeindlichkeit mit Vornamen zu tun? Wieso ist der Streit um Berliner Freibäder rassistisch? Und welches Werk liest Lady Bitch Ray? Diese fünf Bücher empfehlen Expertinnen zum Einstieg.

Profilbild von Raweel Nasir
Freie Autorin

Diesen Sommer diskutierte ganz Deutschland über Freibäder – aber nicht wegen des schönen Wetters, sondern wegen der Schlägereien, die dort immer wieder passieren. Das ist besonders bemerkenswert, weil die Straftaten in Freibädern eigentlich zurückgegangen sind. Allerdings lohnt sich eine Schlagzeile immer, wenn die Protagonist:innen einen vermeintlich migrantischen Hintergrund haben.

Betroffene spüren Rassismus überall, nicht nur im Freibad, sondern auch wenn Geflüchtetenunterkünfte brennen oder die AfD in Umfragen seit Wochen bei 20 Prozent liegt.

Was sind die Mechanismen hinter diesen Debatten? Warum werden bestimmte Angst-Narrative immer wieder aufgefahren?

Um das zu verstehen, solltest du diese fünf Bücher lesen. Die Empfehlungen stammen von KR-Mitgliedern und Expertinnen, unter anderem der Rapperin und Linguistin Lady Bitch Ray.


1. KR-Mitglied Anna empfiehlt ihr Lieblingsbuch zum Einstieg ins Thema

Anna arbeitet als Bildungsreferentin an Schulen und klärt Jugendliche über Rassismus auf. Sie berät Schulleitungen bei rassistischen Vorfällen oder wenn sich rechte Tendenzen bei Schüler:innen, Eltern oder Lehrkräften zeigen, beispielsweise indem sie rechtsextreme Gedanken äußern.

Sie empfiehlt das Buch „Deutschland Schwarz Weiß: Der alltägliche Rassismus“ von Noah Sow.

„Ich finde das Buch so gut, weil die Autorin weißen Personen ihre Privilegien vorhält. Das hat mir als weißer Person sehr geholfen, um mich mit Rassismus auseinanderzusetzen.“

Das Buch gilt als Klassiker unter den Büchern, die sich mit Rassismus beschäftigen, da Noah Sow strukturellen und alltäglichen Rassismus klar und verständlich erklärt. Also, lesen lohnt sich!


2. Reyhan Şahin empfiehlt das beste Buch zu antimuslimischem Rassismus

zu sehen ist Reyhan Shahin vor einer weißen Wand. Sie hat ihre Arme verschränkt.

© Carlos Fernandez Laser

Reyhan Şahin dürften die meisten unter ihrem Künstlernamen Lady Bitch Ray kennen. Şahin ist Autorin, Rapperin und Linguistin. Sie forscht zu den Themen Sprache, Migration und Rassismus und beschäftigt sich als eine der wenigen im deutschsprachigen Raum mit Rassismus innerhalb migrantischer Communitys.

Reyhan Şahin empfiehlt das Buch „Islamfeindlichkeit in Deutschland“ von Achim Bühl.

Wir sprechen von antimuslimischem Rassismus, wenn Muslim:innen genau deshalb abgewertet werden. Zum Beispiel forderten Politiker:innen der Berliner CDU im Januar, die Vornamen von Menschen abzufragen, die sich an den Silvesterkrawallen beteiligt hatten. Durch solche Forderungen entsteht der Eindruck, dass muslimische Menschen gewaltbereit oder gefährlich seien.

Şahin empfiehlt das Buch von Bühl, weil es für Einsteiger:innen gut zu lesen sei. Außerdem findet sie gut, dass Bühl auf die historischen Ursprünge von antimuslimischem Rassismus und Islamfeindlichkeit eingeht. Denn Islamfeindlichkeit gab es schon lange vor den Terroranschlägen vom 9. September 2011, in deren Folge muslimische Menschen besonders häufig als gefährlich wahrgenommen wurden. Genau genommen gab es Islamfeindlichkeit schon fast 1.000 Jahre früher. Erste antimuslimische Aussagen, dass Muslime anscheinend gewaltvoll, übersexualisiert und unzivilisiert seien, stammen aus der Kreuzzugsliteratur des 11. und 12. Jahrhunderts nach Christus.

Das Buch ist oft vergriffen, lässt sich aber in größeren Bibliotheken ausleihen.


3. Katharina Oguntoye empfiehlt das beste Buch zum Umgang mit Rassismus im Alltag

Zu sehen ist Katharina Oguntoye, leicht lächelnd

© Carolyn Gammon

Katharina Oguntoye ist eine afro-deutsche Historikerin. Am bekanntesten ist sie durch ihre Zusammenarbeit mit der amerikanischen Aktivistin und Schriftstellerin Audre Lorde geworden. Lorde hat sie inspiriert, sich Gedanken zu der Lage von Schwarzen Menschen, insbesondere von Frauen zu machen. Oguntoye begab sich in den frühen 1980er Jahren mit weiteren afrodeutschen Frauen (unter anderem mit der inzwischen verstorbenen deutschen Dichterin und Pädagogin May Ayim) auf die Suche nach den Wurzeln und Erfahrungen Schwarzer Menschen in Deutschland. Unter anderem haben sie durch Recherchen und Interviews herausgefunden, dass Schwarze Menschen schon seit Jahrhunderten in Deutschland leben und dokumentiert, wie Schwarze Menschen unter dem NS-Regime gelitten haben. Ihre Geschichten und Erkenntnisse sind in dem international gefeierten Buch „Farbe Bekennen“ gesammelt.

Oguntoye empfiehlt „Exit Racism“ von Tupoka Ogette.

Tupoka Ogette führt die Arbeit von Menschen wie Katharina Oguntoye fort. In ihrem Buch „Exit Racism“ erklärt die Autorin die historischen Ursprünge des Rassismus in Deutschland und beschreibt, wie man Rassismus im Alltag besser erkennen und ansprechen kann. Da Ogette langjährige Erfahrungen als Anti-Rassismus-Trainerin hat, kann sie von vielen Fällen aus ihrer Praxis berichten. Dabei verurteilt sie aber niemandem. In dem Buch sind auch QR-Codes eingearbeitet, die zu jedem Aspekt weiterführende Literatur, Videos und Bilder vorschlagen.

Was Katharina Oguntoye an dem Buch besonders mag: „Ogette schafft es, Leser:innen bei der Auseinandersetzung mit Rassismus zu begleiten, ohne dass sie sich dabei schuldig fühlen müssen.“


4. Bafta Sarbo empfiehlt das beste Buch über den Zusammenhang von Rassismus und Kapitalismus

Bafta Sarbo beschäftigt sich mit dem Verhältnis von Marxismus und Antirassismus, mit rassistischer Polizeigewalt und Migrationspolitik. Sie ist bei der Initiative Schwarzer Menschen in Deutschland (ISD) aktiv. Bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung gibt sie Kurse zum „Kapital“ des Ökonomen Karl Marx.

Wir sehen Bafta Sarbo lächelnd ein Mikrofon haltend auf einer Podiumsdiskussion

© Junge Linke Wien

Sie empfiehlt „Wie Europa Afrika unterentwickelte“ von Walter Rodney.

Sarbo sagt: „Es ist verkürzt zu behaupten, dass die Europäer:innen Afrika kolonisiert haben, weil sie rassistisch waren. Rassismus wurde dabei genutzt, um die koloniale Praxis zu rechtfertigen. Diese war mit der Entstehung des modernen Kapitalismus, wie wir ihn heute kennen, eng verwoben.“ Unsere Wirtschaft heute hängt also indirekt mit der Ausbeutung der Menschen damals zusammen. Das lässt sich auch daran sehen wie riesige Unternehmen die Naturressourcen in Afrika in Anspruch nehmen.

Das Buch erschien zuerst 1972 und ist eine historische Studie darüber, wie die ökonomische „Unterentwicklung“ Afrikas zustande gekommen ist. Walter Rodney zeigt auf, wie die Situation vor dem Kolonialismus in bestimmten afrikanischen Königreichen war. Die Kolonialisierung durch europäische Staaten unterdrückte nicht nur die Menschen, sondern auch die wirtschaftliche Entwicklung.

Andere eher rassistische Theorien gehen davon aus, dass die Menschen in Afrika im Vergleich zu Europäer:innen nicht fleißig genug gewesen seien. Diese Behauptungen kann Rodney mit seinem Buch widerlegen.

„Rodney zeichnet nach, dass sich der heutige Kapitalismus in Europa nur entwickeln konnte, weil Afrika unterentwickelt geblieben ist“, fasst Sarbo zusammen.

Es wird im November eine neue Übersetzung geben, die nah am Originaltext bleibt.


5. Nikita Dhawan empfiehlt das beste Buch zu Postkolonialismus

Nikita Dhawan ist Professorin für politische Theorie und politische Ideengeschichte an der TU Dresden. Der Fokus ihrer Arbeit liegt auf Geschlechtergerechtigkeit und postkolonialer Theorie. Sie ist nicht nur in der Wissenschaft, sondern auch aktivistisch tätig.

Zu sehen ist Nikta Dhwan lächelnd. Im Hintergrund ist ein verschwommener Park zu sehen.

© TU Dresden

Sie empfiehlt das Buch „Die Dämonisierung der Anderen: Rassismuskritik der Gegenwart“ von Maria do Mar Castro Varela und Paul Macheril.

Unter Postkolonialer Theorie werden Ansätze aus verschiedenen Feldern versammelt, die sich kritisch mit den Verbindungen zwischen Globalem Norden und Globalem Süden beschäftigen.

Das Buch erschien 2016, also nach der Fluchtbewegung von 2015 und den sexuellen Übergriffen in der Kölner Silvesternacht, die zur Verschärfung des Asylrechts führten. Es ist ein Sammelband, der laut Dhawan viele Themen anspricht, die auch für aktuelle Debatten relevant seien. Unter anderem, dass Geflüchtete aus der Ukraine leichteren Zugang zu Sozialleistungen haben als Geflüchtete aus anderen Ländern. Oder wie die Bekämpfung von Rassismus und Antisemitismus manchmal gemeinsam gelingen kann.


Redaktion: Rebecca Kelber und Isolde Ruhdorfer, Schlussredaktion: Susan Mücke, Bildredaktion Phillip Sipos; Audioversion: Iris Hochberger

5 Bücher über Rassismus und wie er unseren Alltag prägt

0:00 0:00

Einfach unterwegs hören mit der KR-Audio-App