Leute, es ist Frühling!
In Berlin zumindest. Wer will jetzt schon über Themen wie den Tod nachdenken? Niemand, schon klar. Würde auch nicht zu einem Gute-Laune-Newsletter passen, auch klar. Aber wie das so ist mit den großen Fragen: Sie verschwinden ja nicht, nur weil es wieder Spaghetti-Eis im Waffelbecher gibt.
Also: Alles eine Sache der Perspektive. Auch die Frage, was eigentlich nach dem irdischen Leben kommt. Wenn man diese Dame hier fragt, wird es zumindest lustig:
In ihren Tiktok-Videos spielt die amerikanische Comedian Taryn Delaine die Kaugummi kauende Sekretärin Denise, die in Bademantel, Handtuch-Turban und mit einem Einwegrasierer als Telefonhörer nichts Geringeres verwaltet als das Sekretariat Gottes. Wer in den Himmel will, muss an Denise vorbei.
Manchmal diskutiert sie mit fiktiven Anrufer:innen, ob die in den Himmel dürfen und wer einen VIP-Zugang bekommt (Napoleon darf schonmal nicht rein), manchmal gibt Denise Auskunft darüber, ob der Ex-Ehemann hoffentlich in der Hölle gelandet ist. Allein diese Videos wären schon witzig, aber Denise macht auch welche für Userinnen zu tatsächlich Verstorbenen. So wie dieses Video, das sich eine Userin für ihre viel zu früh verstorbene, schüchterne Freundin gewünscht hat.
Und das ist so herzerwärmend, dass ich fast in mein Spaghetti-Eis geheult habe!
Wir wollen aber natürlich das Diesseits nicht vergessen. Weswegen wir jetzt mit dieser Dame weitermachen:
Das ist Christiane Benner. Sie wird bald die allererste Frau an der Spitze der mächtigsten deutschen Gewerkschaft sein, der IG Metall. Nachdem die 55-jährige Soziologin jahrelang den zweiten Vorsitz innehatte, rückt sie nun nach ganz oben – und vertritt damit in Zukunft die Interessen von rund zwei Millionen Mitgliedern.
Ich habe zwar weder mit der Elektro-/Metallindustrie noch mit der IG Metall zu tun, aber jede Frau in einer solchen Spitzenposition ist für mich ein Grund zu feiern. Hinzukommt: Gerade die IG Metall gilt als „Männergewerkschaft“. Und Frauen in Spitzenpositionen gibt es in Deutschland nach wie vor viel zu wenige.
Wo wir gerade bei Frauen sind, die was für andere bewegen:
KR-Leserin Viola hat mir von einer vorgeschwärmt, von Romina Stawowy, 40 Jahre alt, aus Dresden. Viola sagt über Romina: „Sie macht mir gute Laune, weil sie unermüdlich wichtige Themen anspricht, Frauen Bühnen bietet und sich auch durch Rückschläge nie von ihrem Weg abbringen lässt.“
Ich habe Romina angerufen. Und wusste schnell, warum Viola sie so inspirierend findet: wegen ihrer Energie, die sich sogar durchs Handy überträgt.
Romina hat drei Söhne, wurde in der Nähe von Dresden geboren, liebt vegane Gummibärchen und hadert nicht lange, wenn sie Dinge umsetzen will. Besonders spannend ist aber, dass sie zwei- bis dreimal jährlich ein Magazin für Frauen herausgibt, „aber ohne Kochen, Backen, Schminken“, wie Romina sagt, das ist ihr wichtig. Noch wichtiger aber ist es ihr, Frauen zusammenzubringen. Deswegen veranstaltet sie Netzwerkabende für Frauen. Der nächste findet am 22. Juni in Chemnitz statt (es sind noch Plätze frei!). Kommen kann jede, von der Studentin bis zur Oma, von der Juristin bis zur Verkäuferin.
Auf jedem von Rominas Abenden gibt es eine Podiumsdiskussion mit mehreren Speakerinnen – und dann sind die Frauen aus dem Publikum selbst dran: Jede kann theoretisch zum jeweiligen Thema des Abends drei Minuten auf der Bühne sprechen (in Chemnitz wird es um das Thema Glück gehen). Per Los wird entschieden, wer wirklich auf die Bühne kommt. Es sprechen immer drei Frauen hintereinander, danach sollen alle Teilnehmerinnen des Abends sich miteinander vernetzen, „da mischen wir richtig schön durch“, sagt Romina. „Je nachdem, wie krass der Applaus nach jeder Dreierrunde ausfällt, schaffen wir so drei bis vier Runden an einem Abend“, erzählt sie und klingt dabei so ansteckend begeistert, dass ich auch sofort nach Chemnitz fahren und die anderen Frauen anfeuern, kennenlernen, beklatschen und mich mit ihnen vernetzen will.
Warum Romina das alles macht? „Weil ich finde, jede Frau verdient es, dass man ihr zuhört. Immer dieses ‚Ich hab doch nix zu sagen, ich bin doch nicht wichtig‘, was ich vorwiegend von Frauen kenne, dem wollte ich etwas entgegensetzen“, sagt sie.
Aber damit die männlichen Leser sich hier nicht benachteiligt fühlen, soll jetzt mal ein Mann erwähnt werden. Matthew Herbert ist ein Komponist zeitgenössischer Musik und DJ aus London und, zugegeben, etwas speziell.
Wenn er in keinem Club auflegt oder Soundtracks komponiert, versucht er, die Welt durch Musik zu verstehen. Wie klingt ein Baum, wenn er umfällt? Welche Geräusche macht ein Zahn, wenn er gezogen wird? Wie klingt Geborgenheit? Auf solchen Fragen beruhen Matthews Kompositionen. Deswegen hat er mit seiner Big Band schon den Brexit vertont und dazu eine Platte mit dem sagenhaften Titel „The State Between Us“ rausgehauen, das Leben eines Schweins als Albumvorlage verwendet – oder eine Trompete frittiert! Ja, wirklich! Kann man sich in diesem Dokumentarfilm angucken:
https://www.youtube.com/watch?v=CueAeUgzvO8
Ich liebe Matthew Herbert, etwas anderes zu sagen, wäre untertrieben. (Lieber Matthew, falls du das hier liest: Kann ich mal einen Kaffee mit dir trinken gehen?) Es war also klar, dass er irgendwann in diesem Newsletter mal auftauchen muss. Und zum Glück hat Herbert auch ein neues Werk zur Hand, nämlich den preisgekrönten Soundtrack zu dem Netflix-Film „The Wonder“ (der übrigens sehr sehenwert ist).
Wem Film und Musik dieser Tage zu düster sind, kann sich den Soundtrack schon mal für den Winter vormerken und stattdessen zu diesem Song ein bisschen mit den Füßen wackeln.
Zu guter Letzt möchte ich doch noch eine Frau erwähnen: Judith Hermann, Schriftstellerin aus Berlin. Mit Preisen überhäuft und vom Feuilleton geliebt, hat Hermann im vergangenen Monat an der Frankfurter Goethe-Universität an drei Terminen die traditionsreiche Poetikvorlesung gehalten.
Wer wie ich nicht live dabei war, aber Hermanns Werk sehr mag, muss nicht traurig sein; es gibt die drei Vorlesungen abgedruckt als Buch! In „Wir hätten uns alles gesagt“ reflektiert die Autorin ihr eigenes Schreiben, aber auch ihr Leben. Fiktion und Autobiographie verschwimmen dabei auf kunstvolle Weise immer wieder miteinander, was das Buch neben der wunderschönen Sprache so spannend macht. Ich habe es sehr langsam gelesen, in Häppchen, immer nur ein paar Seiten am Stück. Damit es nicht so schnell vorbei ist.
Und das wars auch schon wieder mit meiner kleinen Herzblatt-Show für diesen Monat. Aber auch im kommenden werde ich wieder schwärmen, wird es wieder heißen: „You call it madness – but I call it love.“ Und weil Liebe und gute Laune ja bekanntlich noch größer werden, wenn man sie teilt: Ich würde mich sehr freuen, wenn du meinen Newsletter abonnierst. Hier gehts lang. Vielen Dank!
Redaktion: Theresa Bäuerlein, Bildredaktion: Philipp Sipos, Schlussredaktion: Susan Mücke, Audioversion: Christian Melchert