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Was ist gerade wichtig?
Russland behauptet, vergangene Woche Ziel eines Drohnenangriffs geworden zu sein. Videos zeigen, wie zwei Drohnen über den Senatspalast des Kremls fliegen, eine davon explodiert. Russland beschuldigte zuerst die Ukraine, einen Anschlag auf Wladimir Putin verübt zu haben. Dann behauptete Kremlsprecher Dmitri Peskow, die USA steckten dahinter. Die Ukraine und die USA bestreiten offiziell, an der Drohnenattacke – wenn es wirklich eine war – beteiligt gewesen zu sein.
Wie so oft bei solchen Ereignissen ist einiges unklar: War es wirklich ein Anschlag auf Putin? Wenn ja, wer steckt dahinter? Oder war es doch eine Operation unter falscher Flagge, also eine vorgetäuschte Aktion von Russland? Eines ist jedoch auffällig: Es ist eines von mehreren Ereignissen, die darauf hinweisen, dass in Russland gerade einiges vor sich geht.
Was ist in Russland los?
Vergangene Woche gab es noch zwei weitere bemerkenswerte und rätselhafte Ereignisse. Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin, auch als „Putins Koch“ bekannt, veröffentlichte ein Video, das ihn vor Dutzenden Leichen zeigt. „Das sind Wagner-Jungs, die heute gestorben sind“, sagt Prigoschin, „das Blut ist noch frisch.“ Er brüllt und flucht und beschuldigt den russischen Verteidigungsminister Sergej Schoigu und Generalstabschef Waleri Gerassimow, ihm nicht genug Munition zu liefern. In einem anderen Video droht er damit, seine Söldner aus der umkämpften Stadt Bachmut zurückzuziehen.
Und am Wochenende explodierte in der Nähe der russischen Stadt Nischni Nowgorod eine Autobombe. Der russische Schriftsteller und Propagandist Sachar Prilepin saß in dem Auto und wurde verletzt, sein Fahrer starb. Prilepin schreibt über seine Erlebnisse in Kriegsgebieten und gilt als radikaler Hetzer gegen die Ukraine. Von 2016 bis 2018 kämpfte er im Donbass gegen die Ukraine, seit dem Beginn der russischen Großinvasion steht er auf der Sanktionsliste der EU.
Das ist übrigens nicht der erste Anschlag auf kremltreue Ideolog:innen. Vergangenen August starb Darja Dugina, die Tochter des Rechtsradikalen Alexander Dugin, bei einem Anschlag mit einer Autobombe in Moskau. Und im April starb der russische Kriegsblogger Wladlen Tatarski bei einem Bombenanschlag in einem Café in Sankt Petersburg.
Was das alles zu bedeuten hat und wie es zusammenhängt, liegt noch im Dunkeln. Klar ist aber: Es passiert etwas in Russland, auch wenn nur wenige Informationen nach außen dringen. Und selbst in Russland, selbst im Kreml, ist es für die Unterstützer:innen des Krieges nicht mehr sicher.
Die Frage der Woche
KR-Mitglied Flo fragt: „Gibt es Erkenntnisse darüber, wie und womit sich die Ukrainer in Deutschland beschäftigen? Ich werde oft mit Vorurteilen über ukrainische Geflüchtete konfrontiert, glaube aber nicht, dass sie alle stimmen.“
Rund eine Million Geflüchtete aus der Ukraine sind aktuell in Deutschland, knapp ein Drittel davon Kinder und Jugendliche. Die Erwachsenen unter ihnen haben im Durchschnitt ein sehr hohes Bildungsniveau: Fast drei Viertel von ihnen haben einen Hochschul- oder Fachhochschulabschluss.
Der Großteil der Ukrainer:innen, die nach Deutschland gekommen sind, konnte zunächst kein oder nur wenig Deutsch. Für sie ist es schwer, Arbeit zu finden, viele von ihnen besuchen deshalb Sprach- und Integrationskurse. Knapp 17 Prozent der geflüchteten Ukrainer:innen im erwerbsfähigen Alter haben bereits einen Arbeitsplatz. Viele betreuen auch ihre Kinder: 70 Prozent der Erwachsenen sind Frauen, viele sind ohne Partner nach Deutschland geflüchtet.
Die meisten ukrainischen Kinder im schulpflichtigen Alter gehen in eine deutsche Schule. Zusätzlich besuchen einige von ihnen ukrainischen Online-Unterricht. Es ist eine Herausforderung, die ukrainischen Kinder an deutschen Schulen unterzubringen, denn es fehlen Lehrkräfte und Klassenräume. Außerdem sind sie durch den Krieg psychisch belastet und wissen nicht, wie lange sie noch in Deutschland bleiben – das senkt die Motivation. 34 Prozent wollen nämlich nur bis Kriegsende bleiben. Etwas mehr, 37 Prozent möchten längerfristig in Deutschland leben.
Hast du eine Frage zum Krieg in der Ukraine? Dann nimm jetzt an meiner Umfrage teil.
Der Link der Woche
Was genau geschah bei dem Reaktorunglück in Tschernobyl 1986? Wer ist schuld? Wieso hat Moskau versucht, das Unglück zu vertuschen? Das ZDF hat eine vierteilige Doku dazu gedreht, hier geht es zur ersten Folge.
Die Hoffnung der Woche
Im Herbst hat ein niederländischer Diplomat der Stadt Lwiw 200.000 Tulpenzwiebeln geschenkt, berichtet der ukrainische Sender Suspilne News. Die Tulpen wurden an verschiedenen Orten in der Stadt gepflanzt – jetzt blühen die ersten Sorten.
Redaktion: Lisa McMinn, Schlussredaktion: Susan Mücke, Bildredaktion: Philipp Sipos, Audioversion: Christian Melchert