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Was ist gerade wichtig?
Es ist eine Blamage für die USA, ein führender US-Geheimdienstler sprach von einem „Albtraum“: Geheime Dokumente über den Russland-Ukraine-Krieg sind an die Öffentlichkeit gelangt.
Ein 21-jähriger Nationalgardist soll die Dokumente auf der Plattform Discord hochgeladen haben, er wurde vergangene Woche festgenommen. Es ist ein Skandal für die US-Geheimdienste – und könnte den Verlauf des Kriegs beeinflussen.
Was bedeutet das Leak für die Ukraine?
Die Dokumente enthalten Einschätzungen über den weiteren Kriegsverlauf, Informationen über den Zustand der ukrainischen Luftabwehr, über Munitionsbestände oder die Anzahl getöteter und verletzter Soldat:innen. Die USA schätzen die Erfolge der bevorstehenden ukrainischen Frühjahrsoffensive als eher gering ein, wie die Dokumente zeigen.
Das sind Informationen, die für die russischen Streitkräfte nützlich sein könnten, weil sie die ukrainischen Pläne nun leichter vereiteln können. Insgesamt ist der Schaden an dieser Stelle aber nicht allzu groß – denn vieles, zum Beispiel dass die Ukraine nicht ausreichend Munition hat, war schon vorher bekannt.
Viel brisanter ist, dass aus den Dokumenten hervorgeht, wie genau die US-Geheimdienste an ihre Informationen kommen. Ob sie also jemanden abgehört haben oder ob Personen bestimmte Informationen weitergegeben haben. Und das wiederum kann Russland dazu nutzen, eigene Sicherheitslücken zu stopfen.
Außerdem säen die geleakten Dokumente Misstrauen zwischen den USA und ihren Partnerländern. Denn aus den Geheimpapieren geht auch hervor, dass die USA ihre Partner abhören. Das führt zu Verstimmungen, etwa mit Südkorea, aber auch mit der Ukraine. Und militärisch unterstützen die USA die Ukraine mit Abstand am meisten.
Mit der Festnahme des 21-Jährigen Jack T. ist der Skandal allerdings nicht beendet. Denn in den geleakten Dokumenten gibt es Lücken. Es ist also möglich, dass noch weitere Papiere mit brisanten Informationen an die Öffentlichkeit gelangen werden.
Die Frage der Woche
KR-Mitglied Mirko fragt: „Was ist dran an dem Vorwurf, dass es in dem Krieg nur um Rohstoffe geht, insbesondere um Lithium?“
Die Ukraine ist reich an Rohstoffen, in ihren Böden finden sich zum Beispiel Eisenerze, Steinkohle und Erdgas. Besonders wertvoll sind die Vorkommen an Lithium und Titan. Lithium ist ein Leichtmetall, das unter anderem zur Herstellung von Akkus für Handys, Notebooks oder E-Autos genutzt wird. Lithium ist also wichtig für die Energiewende – und es ist weltweit ziemlich knapp. Deshalb hat die EU 2021 eine strategische Rohstoffpartnerschaft mit der Ukraine geschlossen. Ziel ist es, Lieferketten zu entwickeln, die dafür sorgen, dass die Ukraine der EU mehr Rohstoffe liefert.
Diese Rohstoffe lagern vor allem im Osten und Süden der Ukraine, also dort, wo Russland derzeit Gebiete besetzt. Die Politik- und Wirtschaftswissenschaftlerin Olivia Lazard schreibt in einer Analyse, dass Wladimir Putin verschiedene europäische Abhängigkeiten gegeneinander ausspielen wolle. „Er hat etwas verstanden, was die EU völlig übersehen hat: Die Energiewende ist eine geostrategische Angelegenheit.“
Geht es Putin also in Wahrheit nur um Rohstoffe wie Lithium? Hat Russland deshalb die Ukraine angegriffen? Ganz so einfach ist es wahrscheinlich nicht.
Viele Historiker:innen und Politikwissenschaftler:innen, beispielsweise Timothy Snyder oder Franziska Davies, sprechen von einem Vernichtungskrieg gegen die Ukraine und erkennen genozidale Züge in der russischen Kriegsführung. Anders ausgedrückt: Wenn es Russland nur um Lithium ginge, müsste es nicht ukrainische Kinder nach Russland deportieren, gezielt Zivilist:innen töten, wie in Mariupol, oder Vergewaltigung als Kriegswaffe einsetzen.
Die Gier nach Rohstoffen kann einer von mehreren Gründen sein, die Putin dazu bewogen haben, den Angriffsbefehl gegen die Ukraine zu geben. Doch es ist wohl kaum der einzige Grund.
Hast du eine Frage zum Krieg in der Ukraine? Dann nimm jetzt an meiner Umfrage teil.
Der Link der Woche
Die russische Sprache ist in der Ukraine nicht verboten, auch wenn die russische Propaganda das immer wieder behauptet. Trotzdem sprechen immer mehr Ukrainer:innen lieber Ukrainisch als Russisch – und zwar freiwillig. Die ukrainische Illustratorin Zhenya Oliinyk hat in einem Comic erzählt, was die beiden Sprachen für ihre Identität bedeuten. Sie erklärt, dass Russisch lange als Sprache der Gebildeten galt und ihre Großmutter noch heute ins Russische wechselt, wenn sie besonders seriös wirken will. Sie erzählt, dass ihre Familie kurz vor der Invasion gemeinsam beschlossen hat, nur noch Ukrainisch zu sprechen. Und dass sie mit ihrem Hund in beiden Sprachen schimpft. Den ganzen Comic gibt es auf Englisch bei The New Yorker.
Die Hoffnung der Woche
In der Ukraine feierten gestern viele Menschen das orthodoxe Ostern. Wie in Deutschland, bereiteten sie Osterkörbe mit Eiern, Schinken und Brot vor und ließen sie in der Kirche segnen. Gestern tauschten die Ukraine und Russland auch Gefangene aus. 130 ukrainische Soldaten kehrten nach Hause zurück, schrieb Andrij Jermak, Leiter des Präsidialamtes, auf Twitter.
Redaktion: Lisa McMinn, Bildredaktion: Philipp Sipos, Schlussredaktion: Susan Mücke, Audioversion: Iris Hochberger