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Seit Monaten kämpfen Russland und die Ukraine um die Stadt Bachmut im Osten der Ukraine. Und Russland könnte die Stadt bald einnehmen: Nach Einschätzung des Institute for the Study of War könnten sich die ukrainischen Streitkräfte demnächst in Teilen zurückziehen. Russland hätte dann einen kleinen Sieg errungen – über eine zerstörte Stadt. 75.000 Menschen lebten einmal in Bachmut, heute sind noch knapp 4.000 Zivilist:innen übrig, die ohne Strom, Wasser oder Heizung und unter Dauerbeschuss überleben. Von den meisten Häusern sind nur noch Trümmer übrig. Warum kämpfen Russland und die Ukraine so erbittert um eine zerstörte Stadt? Darum geht es in meinem heutigen Newsletter.
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Warum Bachmut so wichtig ist
Russland will unbedingt den ganzen Donbas einnehmen, also die Regionen Donezk und Luhansk im Osten der Ukraine. Und dazu gehört Bachmut. Die Stadt ist auch zu einem Symbol geworden: Weil die russische Armee gerade kaum Erfolge im Kampf gegen die Ukraine vorweisen kann, will sie zumindest Bachmut einnehmen – koste es, was es wolle.
Die Ukraine will das nutzen, um Russland so viele Verluste wie möglich beizubringen. Es ist also eine Abnutzungsschlacht, bei der es darum geht, möglichst viel Material der gegnerischen Seite zu zerstören und möglichst viele Soldat:innen zu töten. Das Institute for the Study of War beschreibt die ukrainische Strategie in dieser Hinsicht als „solide“.
Der Chef des ukrainischen Sicherheitsrates, Oleksij Danilow, behauptete, dass Russland in Bachmut siebenmal so viele Soldat:innen verlöre wie die Ukraine. Und Beamte des Weißen Hauses berichteten, dass rund 9.000 Kämpfer der russischen Wagner-Truppe gestorben seien. Die Wagner-Gruppe, eine paramilitärische Söldnertruppe, ist maßgeblich an der Schlacht um Bachmut beteiligt. Mehr als 20.000 Wagner-Kämpfer sollen nach US-Informationen verwundet worden sein.
Die Frage der Woche
Ein:e KR-Leser:in fragt: „Warum verwenden russische Soldaten auf einigen Fotos noch die Flagge der UdSSR?“
Sowjetische Symbolik hat in diesem Krieg von Anfang an eine wichtige Rolle gespielt. Russische Soldaten hissten die rote Flagge der Sowjetunion und stellten Lenin-Statuen auf, beispielsweise in der Region Cherson, die lange von Russland besetzt war. Das Bild einer alten Frau, die eine Sowjetflagge in der Hand hält, wurde in Russland zu einem Meme. Und auf prorussischen Demonstrationen schwenken Teilnehmende nicht nur die russische, sondern auch die sowjetische Flagge. Etwa vergangenen April in Hannover und Frankfurt.
Sogar der Kremlsprecher Dmitri Peskow äußerte sich dazu. Er sagte, die Flagge habe „eine besondere Bedeutung, eine buchstäblich heilige Bedeutung.“ Heilig ist die Flagge zwar nicht. Bedeutsam aber schon.
Die Historikerin Anne Applebaum sagte dem Guardian, dass das heutige Moskau wiederhole, was die sowjetischen Streitkräfte in Polen und in den baltischen Staaten am Ende des Zweiten Weltkriegs getan hätten. „Weil das moderne Russland für nichts anderes steht als für Korruption, Nihilismus und Putins persönliche Macht, haben sie sowjetische Flaggen und Lenin-Statuen zurückgebracht, um den russischen Sieg zu symbolisieren.“
Wladimir Putin betreibt eine Geschichtspolitik, die die Sowjetunion glorifiziert, vor allem den Sieg über Nazideutschland. Der 9. Mai, der „Tag des Sieges“, wie er in Russland heißt, wird unter Putin pompös gefeiert. Darüber habe ich schon einmal geschrieben, als in Russland Kinder in Panzerkostümen auftraten. Putins Russland ist unkritisch gegenüber der Sowjetunion und den Verbrechen, die in ihrem Namen begangen wurden. Das zeigt zum Beispiel die Enthüllung einer Stalin-Büste vor einigen Wochen in Wolgograd. Stalin war ein Diktator, der den Tod von Millionen Menschen zu verantworten hat.
Andere Länder der ehemaligen Sowjetunion setzen sich kritischer mit ihrer sowjetischen Vergangenheit auseinander. In der Ukraine, Moldau oder Lettland wurden Lenin-Statuen abmontiert und Komsomolstraßen umbenannt. Der Komsomol war eine Jugendorganisation der UdSSR. Das Museum in der lettischen Hauptstadt Riga, das sich den Jahren 1940 bis 1991 widmet, heißt heute „Okkupationsmuseum“.
Aus russischer Sicht steht die sowjetische Flagge für ein Imperium und den Sieg über Nazideutschland. Aus Sicht anderer Länder, wie der Ukraine, steht die Flagge für russischen Kolonialismus und Unterdrückung.
Der Link der Woche
Mariupol, die ukrainische Hafenstadt, steht symbolisch für die Brutalität des russischen Angriffs. Dort wurden in diesem Krieg mehr Menschen getötet als in jeder anderen europäischen Stadt seit dem Zweiten Weltkrieg. Mariupol ist heute in großen Teilen zerstört – und von Russland besetzt. In dieser Arte-Dokumentation erzählen mehrere Frauen, wie sie die Kämpfe überlebt haben, ein kleiner Junge erzählt, dass er auf der Flucht Leichen gesehen hat. Es ist erschütternd. Und ein wichtiges Zeugnis von einem der dramatischsten Ereignisse dieses Krieges.
Die Hoffnung der Woche
Am 1. März war meteorologischer Frühlingsanfang und das ist auch in der Ukraine spürbar. Der Winter bedeutete für die Menschen in der Ukraine: Luftangriffe, Stromausfälle und Kälte, weil die Heizungen oft nicht funktionierten. Jetzt sind die schlimmen Wintermonate überstanden. So empfindet es auch dieser Reporter der Financial Times.
Redaktion: Lisa McMinn, Schlussredaktion: Susan Mücke, Bildredaktion: Philipp Sipos, Audioversion: Christian Melchert