Heute geht es um die Olympischen Spiele und warum die Ukraine sie vielleicht boykottieren will. Außerdem beantworte ich die Leserfrage, warum in Deutschland so viele teure ukrainische Autos herumfahren. Wie jede Woche gebe ich dir noch eine kleine Portion Hoffnung mit.
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Was ist gerade wichtig?
Im Sommer 2024 richtet Paris die Olympischen Spiele aus, Streit gibt es darüber schon jetzt. Es geht darum, ob es russischen und belarussischen Sportler:innen erlaubt sein soll, bei den Spielen anzutreten. Das Internationale Olympische Komitee (IOC) will das unter bestimmten Bedingungen erlauben, etwa wenn die Sportler:innen unter neutraler Flagge antreten und nachweisen, dass sie den Krieg gegen die Ukraine nicht unterstützen. Die Ukraine ist dagegen – und droht mit einem Boykott ihrer eigenen Athlet:innen, falls Russ:innen und Belaruss:innen antreten.
Mehrere Länder und Politiker:innen haben sich auf die Seite der Ukraine gestellt. Beispielsweise Anne Hidalgo, die Bürgermeisterin von Paris, wo die Olympischen Spiele ja ausgetragen werden. Aus Sicht von Hidalgo sei es „nicht denkbar, dass wir ein Land, das ein anderes Land angreift, aufmarschieren lassen, als wäre nichts geschehen. Dass eine Delegation nach Paris kommt, während die Bomben weiter auf die Ukraine regnen.“
Was hat Olympia mit dem Krieg zu tun?
Der Streit lässt sich grob in zwei Lager unterteilen: Auf der einen Seite steht das IOC mit seinen Unterstützer:innen. Sie sagen: Es verstößt gegen die olympischen Prinzipien, Sportler:innen aufgrund ihres Passes auszuschließen. Sport soll Menschen vereinen, unabhängig von Politik.
Auf der anderen Seite steht die Ukraine, die unter anderem von Polen und den baltischen Staaten unterstützt wird. Ihre Haltung kann man so zusammenfassen: Sport ist nie neutral. Der Krieg hat das Leben von allen Ukrainer:innen verändert, deshalb ist es schwer, ein Ereignis wie die Olympischen Spiele für unpolitisch zu erklären.
Tatsächlich ist es so, dass Länder internationale Sportereignisse nutzen, um ein positives Image von sich in der Welt zu verbreiten. Selbst wenn die russischen und belarussischen Sportler:innen unter neutraler Flagge antreten, würde man sie mit Russland und Belarus in Verbindung bringen. Außerdem geht es um ganz schön viel Geld. Russland zahlt seinen Medaillengewinner:innen Prämien im Wert von umgerechnet mehreren zehntausend Euro.
Aus der Sicht der Ukraine ist es also so: Während ukrainische Sportler:innen sich freiwillig für die Armee melden und an der Front sterben, können russische und belarussische Sportler:innen ihre sportliche Karriere vorantreiben und dabei auch noch die Geldprämien einheimsen. Mein Kollege Benjamin Hindrichs fordert deshalb übrigens, Nationalitäten bei den Olympischen Spielen direkt abzuschaffen.
Die Frage der Woche
KR-Miglied Bernd fragt: „Warum sieht man hier so viele große, neue ukrainische Autos? Können nur die Reichen flüchten und die Armen bleiben in der Ukraine?“
Der russische Krieg betrifft die gesamte ukrainische Gesellschaft, egal ob arm oder reich. Deshalb fliehen auch Arme und Reiche. Trotzdem stimmt es, dass das Flüchten für Arme schwieriger ist. Wer genug Geld auf dem Konto hat, kann sich problemlos ein Zug- oder Busticket kaufen. Ein Ticket mit dem Flixbus von Kyjiw nach Berlin kostet am heutigen Montag zwischen 77 und 100 Euro. Das Durchschnittsgehalt in der Ukraine lag im Januar 2022 bei etwa 370 Euro im Monat. Nicht alle können sich also so ein Ticket oder gar ein Auto leisten. Flüchten ohne Geld dauert länger und ist gefährlicher, denn wer arm ist, strandet möglicherweise an einem unsicheren Ort und kann sich kein sicheres Hotelzimmer leisten.
Das bedeutet aber nicht, dass in Deutschland nur steinreiche Ukrainer:innen ankommen. Ich weiß zwar nicht, wie viele teure ukrainische Autos hier herumfahren, aber ich denke, dass sie einfach besonders stark auffallen. Die meisten Geflüchteten aus der Ukraine haben wahrscheinlich kein teures Auto, aber dieser Fakt bleibt unsichtbar. Schließlich siehst du ja nicht, wie viele Ukrainer:innen kein teures Auto haben oder mit dem Bus gekommen sind.
Die „ukrainischen Luxusautos“ sind in den vergangenen Monaten zu einem richtigen Politikum geworden. Der Vorwurf ist, dass reiche Ukrainer:innen nach Deutschland kommen und hier Sozialhilfe bekommen, obwohl sie es gar nicht bräuchten.
Einen ähnlichen Vorwurf gab es schon 2015, als viele Flüchtende nach Deutschland kamen. Damals wunderten sich manche, ob Menschen mit teuren Smartphones wirklich hilfsbedürftig sind. Dabei ist es so, dass das Smartphone für viele Geflüchtete der wertvollste Besitz ist – nicht nur finanziell gesehen, sondern weil sie es brauchen, um mit ihrer Familie in Kontakt zu bleiben, die sie über Monate und Jahre nicht sehen.
Ähnlich ist es mit den Autos der Ukrainer:innen. Viele, die mit dem Auto flüchten, lassen alles andere zurück. Ihr Haus ist möglicherweise zerstört und die Ersparnisse aufgebraucht. Das Auto ist zwar teuer, die ukrainischen Besitzer:innen des Autos sind aber nicht unbedingt reich. Und selbst wenn sie wirklich reich sind: Geld schützt ja nicht vor Bomben. Wenn wohlhabende Ukrainer:innen mit teuren Autos nach Deutschland kommen, sind sie trotzdem schutzbedürftig.
Der Link der Woche
Deutschrap thematisiert den Krieg gegen die Ukraine – aber auf unterschiedliche Weise. Es ist zum Beispiel sehr interessant, wie der Rapper Capital Bra den Krieg in seinen Texten verarbeitet. Er lebt seit seiner Kindheit in Deutschland und hat die ukrainische Staatsbürgerschaft. Einerseits setzt er sich gegen den Krieg ein, andererseits verbreitet er das Narrativ, dass Ukrainer:innen und Russ:innen „ein Volk“ seien – die Erzählung, mit der Russland den Krieg rechtfertigt und die viele Ukrainer:innen ablehnen. Auf der Plattform Dekoder gibt es eine interessante Analyse zu Deutschrap und dem Krieg gegen die Ukraine.
Die Hoffnung der Woche
„Ich würde Sie gerne umarmen, aber ich kann nicht“, sagte eine ukrainische Journalistin auf einer Pressekonferenz zu Wolodymyr Selenskyj. „Warum?“, antwortete er und umarmte sie. In den sozialen Medien gab es einigen Streit über diese Szene. Viele finden es peinlich und unprofessionell von einer Journalistin, den Präsidenten zu umarmen. Ich finde es schön: eine menschliche Geste, die mich zum Lächeln gebracht hat.
Redaktion: Lisa McMinn, Schlussredaktion: Susan Mücke, Bildredaktion: Philipp Sipos, Audioversion: Iris Hochberger .