Eine Gruppe von vier Menschen mit Mundnasenschutz schauen sich Bücher in einer frühlingshaften Freiluft-Umgebung an.

© Getty Images / NurPhoto/ Rita Franca

Flucht und Grenzen

Das sind die besten Quellen, um Rechtsterrorismus zu verstehen

Ob gekränkte Männlichkeit, die Rolle des Internets oder die Gamification von Terror – bei meiner Recherche zu Rechtsterrorismus haben mir diese acht Beiträge besonders weitergeholfen.

Profilbild von Benjamin Hindrichs
Reporter für Macht und Demokratie

Was haben Antifeminismus, der Film Matrix, das Internet und McDonalds mit den Attentätern von Oslo, Hanau und Christchurch zu tun? Auf den ersten Blick: nichts. Auf den zweiten leider mehr als man denkt. Ich habe mich für diesen Text tief in die Strukturen hinter rechtem Terror eingegraben; die nachfolgenden Beiträge kann ich allen Interessierten empfehlen, die sich noch tiefer in das Thema rechter Terror einlesen und reindenken wollen:


Rechte Egoshooter: Von der virtuellen Hetze zum Livestream-Attentat

Buch von Andreas Speit und Jean-Philipp Baeck

In welches Netzwerk war der Halle-Attentäter eingebunden? Welche Rolle spielen Frauenhass und Antifeminismus im gegenwärtigen Rechtsterrorismus? Und bei welchen alten, antisemitischen Feindbildern bedienen sich die Attentäter? Diesen Fragen gehen zahlreiche Expert:innen aus Journalismus und Wissenschaft in „Rechte Egoshooter“ auf den Grund. Wenn du nur ein Buch zum Thema Rechtsterrorismus lesen möchtest, lies dieses. Die Beiträge sind nicht nur sorgfältig recherchiert und gut zu verstehen, sie decken auch die wichtigsten Perspektiven auf das Thema ab.


The El Paso Shooting and the Gamification of Terror

Artikel von Robert Evans (Bellingcat)

Der Journalist Robert Evans ist Experte für rechten Terror und investigativen Open-Source-Journalismus bei Bellingcat, einer britischen Website, die sich auf Faktenprüfung und Open-Source-Informationen spezialisiert hat. Das heißt, Evans analysiert frei verfügbare Daten im Netz, zum Beispiel Beiträge in Onlineforen. Mit diesem Text prägte er den Begriff der „Gamification of Terror“ nach dem Attentat von El Paso im August 2019. Gamifizierung bedeutet die Übertragung spieltypischer Elemente in eine eigentlich spielfremde Umgebung. Auch andere seiner (englischsprachigen) Beiträge haben mir schon früh geholfen, die Mechanismen von Online-Radikalisierung und die Funktionsweise des aktuellen Rechtsterrorismus zu verstehen, zum Beispiel „Shitposting, Inspirational Terrorism, and the Christchurch Mosque Massacre“ und „Ignore The Poway Synagogue Shooter’s Manifesto: Pay Attention To 8chan’s /pol/ Board“. Evans hostet zudem auch den Podcast „Behind the Bastards“, der sich regelmäßig mit zentralen Aspekten von Radikalisierung und Rechtsextremismus auseinandersetzt.


Politische Männlichkeit. Wie Incels, Fundamentalisten und Autoritäre für das Patriarchat mobilmachen

Buch von Susanne Kaiser

Björn Höcke fordert, man müsse die „Männlichkeit wiederentdecken“, sogenannte Incels kultivieren den Hass auf Frauen im Netz und Rechtsterroristen bedienen sich ähnlicher, antifeministischer Denkmuster wie globale Rechtspopulist:innen. Wer sich für den antifeministischen Teil rechtsextremer Ideologien und Internet-Subkulturen interessiert, sollte das Buch “Politische Männlichkeit” der Journalistin Susanne Kaiser lesen. Es zeigt ganz klar, dass Frauenhass kein Zufallsprodukt autoritärer Einstellungen ist, sondern ein wesentlicher Bestandteil rechtsextremer Ideologien.


Deutschland rechts außen: Wie die Rechten nach der Macht greifen und wie wir sie stoppen können

Buch von Matthias Quent

Wenn du dir einen ersten Überblick zum Thema Rechtsextremismus in Deutschland verschaffen möchtest, empfehle ich dir dieses Buch. Der Soziologe und Rechtsextremismusforscher Matthias Quent geht darin auf Ideologie und Radikalisierung, politische Strategien und Argumentationstaktiken von Rechtspopulist:innen und Rechtsextremen ein – und gibt auch Tipps, wie eine wehrhafte Demokratie sich gegen die Gefahr von Rechts wappnen kann. Quent ist außerdem Direktor des Instituts für Demokratie und Zivilgesellschaft, das 2020 einen hervorragenden (und kostenlosen) Sammelband zum Thema „Rechtsterrorismus“ veröffentlichte.


Hasskrieger: Der neue globale Rechtsextremismus

Buch von Karolin Schwarz

Karolin Schwarz ist Journalistin und Expertin für Rechtsextremismus und Online-Propaganda. „Hasskrieger“ ist das Ergebnis jahrelanger Recherchen und gibt einen detaillierten Einblick in die Methoden, mit der Rechtsextreme das Netz für sich nutzen – und das schon seit den Anfangstagen des Internets. Das Buch hat mir vor allem noch einmal vor Augen geführt, welche zentrale Rolle die Online-Radikalisierung für den globalen Rechtsextremismus seit Jahren spielt – und wie sie funktioniert. Von der gleichen Autorin gibt es auch einen guten Text bei der Bundeszentrale für politische Bildung: „Antisemitismus, die extreme Rechte und rechter Terror im Netz“.


Aus Politik und Zeitgeschichte: Rechtsterrorismus

Überblicksheft, herausgegeben von der Bundeszentrale für politische Bildung

Ob die vielen Leerstellen nach dem NSU-Prozess, die Geschichte des deutschen Rechtsterrorismus, die Frage nach der Verbindung zu rechtspopulistischer Sprache oder nach dem Versagen deutscher Sicherheitsbehörden: Nach dem Anschlag von Halle im Herbst 2019 erschienen, ermöglicht dieses kostenlose Überblicksheft einen fundierten Einstieg in das Thema. Autor:innen der Beiträge sind unter anderem der Rechtsextremismus-Experte Matthias Quent und die SZ-Journalistin Annette Ramelsberger, die den NSU-Prozess begleitet hat.


Hätten zwei Attentate verhindert werden können?

Multimedia-Beitrag vom MDR

Am 22. Juli 2016 erschießt David S. neun Menschen in München. Am 7. Dezember 2017 ermordet William S. zwei Schüler in New Mexico. Die beiden Attentäter kannten sich – aus dem Internet. Dort fantasierten sie auf einer Spieleplattform über Gewalt und befeuerten gegenseitig ihren Hass auf vermeintliche Ausländer:innen. Warum wurden sie nicht gestoppt? Dieser Frage geht der MDR in diesem Multimedia-Beitrag nach.


Youtube, The Great Radicalizer

Artikel von Zeynep Tufekci in der New York Times

Ist Youtube einer der großen Radikalisierer des 21. Jahrhunderts? Das vermutet zumindest die Journalistin Zeynep Tufekci. Dieser englischsprachige Text aus dem Jahr 2018 ist schon so etwas wie ein Klassiker, wenn es um die Rolle sozialer Medien und Algorithmen bei Online-Radikalisierungsprozessen geht. Tufekci beschreibt darin, wie sie bei einer Recherche zufällig entdeckte, dass die Autoplay-Funktion bei Youtube ihr immer extremere Inhalte vorschlug – egal, ob sie linke, rechte oder unpolitische Inhalte anschaute. Wie dieser Mechanismus Menschen radikalisieren kann, beschreibt sie in ihrem Text. Inzwischen gibt es bei der New York Times auch eine hervorragende Podcast-Serie zu dem Thema: Rabbit Hole.


Schlussredaktion: Susan Mücke und Bent Freiwald, Bildredaktion: Till Rimmele.

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