Was wir von Kapstadts Wasserknappheit für den Umgang mit der Klimakrise lernen können

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Klimakrise und Lösungen

Was wir von Kapstadts Wasserknappheit für den Umgang mit der Klimakrise lernen können

Innerhalb von zwei Jahren haben die Menschen in Kapstadt ihren Wasserverbrauch fast um die Hälfte gesenkt.

Profilbild von Katharina Mau

Es gab eine Info, die Antonia klarmachte, dass diese Wasserkrise wirklich eine ist. Sie hörte sie in den Nachrichten. „Da kam, dass sie jetzt die Wasserstationen testen: Wie das aussehen würde, wenn alle jeden Tag Schlange stehen müssten, um sich einen Eimer Wasser zu holen. Das wäre dann tatsächlich passiert, das fand ich krass.“

Vor fast zwei Jahren drohte in Kapstadt in Südafrika das Wasser auszugehen. Die Stadt erlebte die schlimmste Dürre in über hundert Jahren. Im Januar 2018 kündigte die Regierung Day Zero an – den Tag, an dem kein Wasser mehr aus den Wasserhähnen kommen würde. Doch dieser Tag kam nicht.

Denn die Kapstädter haben es geschafft, immer weniger Wasser zu verbrauchen. Innerhalb von zwei Jahren haben sie den Wasserverbrauch der Stadt fast halbiert. Wie haben sie das gemacht? Und was können wir daraus für den Umgang mit der Klima- und Umweltkrise lernen, die wir gerade erleben?

Antonia ist KR-Mitglied und lebt seit mehr als drei Jahren in Kapstadt. Die Wasserkrise hat sie also direkt mitbekommen. Am Ende hat sie nur noch 50 Liter Wasser pro Tag verbraucht: Zähneputzen, 90 Sekunden duschen, einmal am Tag Klo spülen, einmal am Tag abwaschen. Zum Vergleich: Ein durchschnittlicher Deutscher verbraucht 123 Liter pro Tag, mehr als doppelt so viel wie Antonia.

Warum in Kapstadt das Wasser ausging

Die Geschichte beginnt schon lange vor der eigentlichen Krise. Das Wasser in Kapstadt kommt aus mehreren Stauseen. Im Jahr 2014 waren sie zuletzt zu hundert Prozent gefüllt. Normalerweise leeren sie sich über die trockene Jahreszeit und laufen in der Regenzeit wieder voll. 2015 war das erste trockene Jahr. 2016: ungewöhnlich trocken. 2017: das trockenste Jahr in der Geschichte Kapstadts. Und in den Stauseen war immer weniger Wasser. Anfang 2016 waren sie zu 55 Prozent gefüllt. Ein Jahr später zu 46 Prozent. Anfang 2018 nur noch zu 31 Prozent.

Und das, obwohl die Menschen schon viel weniger Wasser verbrauchten. Die Regierung rief immer neue Beschränkungen aus. Seit November 2016 durfte man nicht mehr sein Auto waschen, keine Sprinkler und Wasserschläuche verwenden. Wer seine Blumen gießen wollte, musste das mit Eimern oder Gießkannen tun. Ab Juni 2017 durfte jeder Mensch in Kapstadt nur noch 100 Liter Wasser pro Tag verwenden, und wer einen Pool hatte, durfte ihn nicht mehr befüllen. Einen Monat später: 87 Liter pro Tag.

Am 3. September fing die Stadt an, den Wasserdruck zu senken, so dass weniger Wasser aus den Hähnen kam. Einen Monat später veröffentlichte sie einen Notfall-Plan. Dort stand unter anderem, was passieren würde, wenn der Speicherstand zu niedrig werden würde: Man dreht den Wasserhahn auf und es kommt nichts raus. Stattdessen muss man mit einem Eimer zu einer der Wasserstationen in der Stadt gehen, um sich die Ration von 25 Litern zu holen. Die Armee und die Polizei würden das Wasserholen beaufsichtigen.

Das war der Punkt, an dem es bei Antonia klick gemacht hat. Die Medien begannen, ausführlich über das Thema zu berichten. Und offenbar änderten viele Menschen ihr Verhalten: Eine Studie kommt zu dem Schluss, dass es nach der Veröffentlichung des Notfall-Plans einen der größten Sprünge nach unten im Wasserverbrauch der Menschen gab. Doch es war immer noch nicht genug.

Auf einer Karte sah man, welche Nachbarn sich an die Wasserbegrenzung hielten

Im Januar 2018 veröffentlichte die Stadt zum ersten Mal einen Bericht, in dem sie aufschlüsselte, wie viel Wasser noch in den Stauseen war und wann die Kapazität die Marke von 13,5 Prozent erreichen würde – der Punkt, an dem die Wasserhähne abgeschaltet würden. Für diesen Tag erfand die Stadt den Begriff Day Zero. In diesen Monaten war Day Zero sehr präsent. „Das war überall auf Plakaten”, sagt Antonia. Ein bekannter Slogan für die Klospülung: „If it’s yellow, let it mellow. If it’s brown, flush it down.”

Die Regierung forderte Bands auf, zweiminütige Dusch-Songs zu komponieren. Die konnte man beim Duschen anhören, um zu wissen, wann man fertig sein muss. In vielen Büros wusch man sich nach der Toilette nicht mehr die Hände, sondern benutzte Desinfektionsmittel. Antonia sagt, in ihrem Büro stiegen sie irgendwann auf Pappteller und -becher um, um nicht mehr abspülen zu müssen. Auf einer Webseite konnte jeder sehen, zu wie viel Prozent die Stauseen noch gefüllt waren und wie viel Prozent der Menschen sich an die Wasserrestriktionen hielten. Die Stadt stellte sogar eine Karte online, auf der jeder Haushalt, der nicht mehr Wasser verbrauchte als erlaubt, einen grünen Punkt bekam. Rote Punkte gab es nicht. Aber man konnte natürlich sehen, wo keine grünen Punkte waren.

Claire Pengelly leitet den Bereich Wasser bei Greencape, einer NGO, die mit Unternehmen und Regierungen zusammenarbeitet, um eine Wirtschaft zu fördern, die weniger Ressourcen verbraucht und weniger CO2 verursacht. Sie forscht schon länger zu den Auswirkungen der Klimakrise. Sie wusste, dass die Region um Kapstadt immer trockener wird. Doch mit einer Wasserkrise hatte sie nicht gerechnet. „Ich habe mir das wie eine lineare Entwicklung vorgestellt, dass es jedes Jahr um ein oder zwei Prozent weniger regnet“, sagt sie. „Aber tatsächlich erleben wir den Klimawandel durch solche extremen Schocks.“

Die Stadt hatte einen gemeinsamen Feind – Day Zero

So eine Dürre war in Kapstadt extrem unwahrscheinlich. Die Stadt hatte sich auf Dürren vorbereitet, aber nicht auf diese Extremsituation. Es gab Maßnahmen, um mehr Wasser bereitzustellen, zum Beispiel, indem man Meerwasser entsalzt hat, doch das reichte nicht. Anfang 2018 war die einzige Möglichkeit, „Day Zero“ zu entkommen, dass die Menschen weniger Wasser verbrauchen.

Ab Februar durften alle nur noch 50 Liter Wasser pro Tag verbrauchen. Einmal Klospülen verbraucht 9 Liter. 90 Sekunden duschen 15 Liter. Antonia sagt: „Persönlich habe ich das eher als Challenge gesehen. Okay, das schaffe ich! So Gamification mäßig. Das hat auch ganz gut geklappt.”

Für viele entstand ein Gefühl des Zusammenhalts, weil die Stadt ein gemeinsames Ziel hatte, einen gemeinsamen Feind – Day Zero. „Wir haben jeden Tag übers Wasser geredet“, sagt Antonia, „ein bisschen so wie übers Wetter.“ Im Radio hörte sie, wie viel Wasser die Stadt wieder gespart hatte. Und sie hatte das Gefühl, mit ihrem Verhalten einen Unterschied machen zu können. „Klar war ich nicht so naiv, dass ich dachte, ich kann die Stadt retten. Aber ich dachte, wenn wir das alle machen, dann klappt es, und es schien ja zu wirken. Das war ein positiver Ansporn.“

Claire von der NGO Greencape hat zu dieser Zeit in einem Team gearbeitet, das Unternehmen beriet, wie sie Wasser sparen können. „Wir haben uns jede Woche getroffen und für viele war es nicht ihr Hauptjob, sie wurden in das Team geschickt. Trotzdem waren alle total auf unsere gemeinsame Arbeit fokussiert.” In ihrer NGO arbeiten normalerweise drei Menschen im Bereich Wasser. Claire holte sich Leute aus anderen Abteilungen dazu. Am Ende waren sie etwa zwölf Leute, die rausgingen und sich mit Unternehmen trafen.

In den informellen Siedlungen Kapstadts gibt es schon seit Jahren eine Wasserkrise

Das alles lohnte sich. Die Menschen in Kapstadt verbrauchten weniger Wasser. Day Zero wurde immer weiter nach hinten verschoben. Irgendwann kam der Regen. „Wir waren stolz“, sagt Claire, „weil wir es geschafft haben, dieses wirklich extreme Ereignis zu überstehen.“

Einer, der diese Euphorie nicht teilt, ist Zama Timbela. Er ist Aktivist für soziale Gerechtigkeit und arbeitet für das Alternative Information & Development Centre, eine NGO in Kapstadt. Er sagt: „Wir haben schon seit Jahren eine Wasserkrise, die betrifft vor allem Menschen aus den Townships in Kapstadt.” Townships, so nennen sie in Kapstadt die informellen Siedlungen. Diese haben in der Regel keinen eigenen Wasserzugang. Die Bewohner holen sich mit Eimern Wasser von öffentlichen Wasserhähnen.

Das, was für die reicheren Menschen das Katastrophenszenario war, ist für sie Alltag. In vielen Haushalten in den Townships gibt es Apparate, mit denen die Regierung das Wasser zeitweise abschalten kann. Zama sagt, es gebe oft nur für ein paar Stunden am Tag Wasser. „Erst wenn weiße Menschen betroffen sind, dann wird die Regierung aufmerksam und überlegt, wie man die Situation ändern könnte”, sagt er.

Die Autor:innen einer Studie der University of Cape Town zu Wassermanagement und Gerechtigkeit schreiben: „Bei Wassermanagement geht es nicht nur darum, dass auch während einer Dürre Wasser aus dem Wasserhahn kommt, sondern darum, dass Menschen sanitäre Einrichtungen brauchen.” Nicht nur die Menschen, die in den reicheren Vierteln wohnen.

Wer macht eine riesige Marketingaktion für den Klimaschutz?

Vielleicht ist das die erste Lektion, die wir nicht nur aus dieser Wasserkrise in Kapstadt lernen können, aber die auch hier wieder auftaucht. Wollen wir (Menschen in reicheren Ländern der Welt) warten, bis die Klimakrise uns ganz persönlich betrifft, bevor wir wirklich etwas tun? Oder schaffen wir es, davor das Ruder herumzureißen? Schon jetzt sind Menschen in ärmeren Ländern stärker von der Klimakrise betroffen. Und sie haben weniger Mittel, um sich vor ihr zu schützen.

Was wir außerdem lernen können: Was es bedeuten kann, wenn uns plötzlich bewusst wird, wie viel wir von etwas verbrauchen. Antonia wusste vor der Krise überhaupt nicht, wie viel Wasser sie verwendet. Jetzt erzählt sie, wie sie mit Freundinnen eine Serie geguckt hat. „Da hat einer den Wasserhahn angelassen und es ist uns allen sofort aufgefallen.“ Claire sagt: „Die Menschen verstehen Wasser nun in einer Weise, wie sie es nie zuvor getan haben.“ Sie wissen zum Beispiel, wo das Wasser herkommt, das sie verwenden.

Wenn es um CO2 geht, gehen viele einmal den CO2-Rechner vom Umweltbundesamt durch und stellen fest, dass sie viel zu viel Kohlendioxid ausstoßen. Was wie viel CO2 verursacht, wissen die meisten nicht, und es wird uns auch nicht leichtgemacht. In Kapstadt hingen am Ende überall Plakate, auf denen stand, wie man Wasser sparen kann. Zum Beispiel das Wasser in der Dusche in einer Wanne auffangen und damit das Klo spülen.

Die Stadt hat eine riesige Marketingaktion gemacht, um die Menschen zum Wassersparen zu animieren. Wer könnte so eine Aktion für die Klimakrise machen? Und was sind überhaupt die wichtigsten Schritte, die wir machen müssten?

Die Wasserkrise war im Gegensatz zur Klimakrise sehr konkret und greifbar. „In Kapstadt gab es eine direkte Dringlichkeit, es gab ein Datum, an dem das Wasser abgestellt würde“, sagt Claire. „Und die Kapstädter wussten, dass niemand sie retten würde außer sie selbst.“

Diese Notsituation gab der Regierung die Legitimation, den Menschen immer weniger Wasser zu erlauben. Sie schränkte die Freiheitsrechte jedes einzelnen Menschen in Kapstadt ein, um zu verhindern, dass alle irgendwann kein Wasser mehr haben würden. Und sehr viele Menschen trugen die Restriktionen mit, weil sie wussten, dass die Krise echt war – aber auch weil sie sahen, wie ihre Nachbarn und Freunde Wasser sparten.


Redaktion: Rico Grimm; Schlussredaktion: Vera Fröhlich; Fotoredaktion: Martin Gommel.