Es war mal wieder Freitag, ein „Fridays for Future“-Freitag. Greta Thunberg war in Berlin und ich schaute mir die Live-Übertragung von Thunbergs Auftritt auf Youtube an. Dann bekam ich ein schlechtes Gewissen: Eigentlich wollte ich seit Monaten auf die Freitagsdemos gehen. Ohnehin wollte ich eigentlich politisch aktiver sein. Und regelmäßig meditieren. Öfter meine Eltern anrufen. Immer ein bisschen Kleingeld mitnehmen, um es Obdachlosen zu geben. All diese Gedanken wurden zu einer Frage: Warum bin ich eigentlich kein besserer Mensch?
Ich ahnte, dass ich mit diesen Gedanken nicht alleine bin. Und habe deshalb die KR-Leser:innen gefragt: In welcher Situation warst du das letzte Mal nicht der bessere Menschen, der du gerne wärst? Und woran hat es gelegen?
Nach 61 Antworten wusste ich: Ich bin nicht allein. Um es mit den Worten von Mirko zu sagen, der mir schrieb: „Es ist normal“. Fast alle, die mir antworteten, erleben immer wieder Situationen, in denen sie nicht so gehandelt haben, wie sie es gerne hätten.
Eine hätte gerne weniger mit ihrer Mutter gestritten. Eine möchte selbstbewusster ihre Meinung sagen. Einer möchte mehr Yoga machen. Die KR-Leser:innen, die mir antworteten, wären gerne produktiver, freundlicher, umweltbewusster. Als ich das las, war ich kurz ernüchtert. Aber dann kehrte eine innere Ruhe bei mir ein. Ich war endlich aufgeflogen. Und weniger allein. Und als ich mich ans Schreiben machte, ahnte ich, ich könnte hier eine Art Zauberformel finden: Wenn ich mich genug damit beschäftige, warum wir keine besseren Menschen sind, könnte ich diesem Ideal näher kommen.
Ich sollte mich täuschen. Aber nicht ganz.
Aber was heißt es, ein besserer Mensch zu sein? Die Antworten der KR-Leser:innen lassen sich in fünf Bereiche einteilen.
Wir wären gerne sozialer
Zugegeben, es hat mich überrascht, dass das an erster Stelle steht. Und dann gefreut: Über ein Drittel der Antwortenden hätte gerne in manchen Situationen besser auf andere Menschen reagiert. Ganz vorneweg: Streit mit der Familie oder Freund:innen.
Stefanie hat ihre Mutter am Telefon angepampt. Der Anruf war für sie gerade ungünstig und dann hat ihre Mutter auch noch einen unüberlegten Kommentar abgegeben. Da konnte sie sich einfach nicht zusammenreißen. Dabei wusste sie, dass es ihrer Mutter gerade nicht gut geht, weil die um ihre eigene Mutter trauert.
Einige der Leser:innen wären gerne allgemein großzügiger und hilfsbereiter zu Menschen, denen es nicht so gut geht.
Jennifer und ihr Mann hatten vor zwei Jahren die Gelegenheit, eine Patenschaft für ein balinesisches Kleinkind zu übernehmen, und ihm Babynahrung, Kleidung, später Schulmaterialien zu finanzieren. Dann verlor Jennifers Mann seinen Job. Obwohl die Patenschaft nicht viel Geld kostete und selbst als ihr Mann einen neuen Job hatte, haben sie die Gespräche nicht wieder aufgenommen. Jennifer fühlt sich heute noch schlecht.
Wir wären gerne umweltfreundlicher
An zweiter Stelle: Nachhaltigkeit. Viele der Antwortenden hätten gerne das Fahrrad oder die öffentlichen Verkehrsmittel statt dem Auto genommen oder wären lieber nicht mit dem Flugzeug in den Urlaub geflogen.
Einige ärgern sich, dass sie so viel wegwerfen, vor allem Plastik, und dann auch noch zum To-Go-Becher greifen. Zum Beispiel Ursula, die neulich mittags im Supermarkt stand und sich ein in Plastik verpacktes Sandwich und einen Orangensaft in der Plastikflasche kaufte, anstatt sich selbst etwas zu essen zu machen.
Die Antwort von André hat mir besonders zu denken gegeben. Er bereut es, keinen fremden Müll auf der Straße aufzuheben und wegzuwerfen. Seitdem sehe ich überall jedes Schnipselchen und frage mich, wie lange ich wohl damit beschäftigt wäre, sie alle aufzusammeln.
Wir wären gerne politischer
Neun der Antwortenden wünschen sich, Veranstaltungen zu organisieren, bei Petitionen mitzumachen und vor allem mehr demonstrieren zu gehen. Wie ich jeden Freitag bei den „Fridays for Future“-Demos.
Pia würde gerne öfter zu ihrer eigenen Meinung stehen. Zum Beispiel zum Thema Gleichberechtigung. Aber wenn ihre Cousine erklärt, was für ein Quatsch die Frauenquote doch ist und ihr Cousin gleich den ganzen Feminismus für bekloppt hält, und andere Verwandte und Bekannte auch noch rassistische Kommentare machen (Familienfeiern können so tough sein), fällt es Pia schwer, sich dagegen zu stellen. Sie sagt dann manchmal nichts, damit es harmonisch bleibt. Ach, wie gut ich das kenne! Danke, fast allen Männern meiner Familie!
Wir wären gerne besser zu uns selbst
Das hat mich erstaunt: Nur relativ wenige haben von Situationen erzählt, in denen sie nicht gut zu sich waren. Unter diesen Antworten: Mehr Yoga und Sport machen, mehr meditieren, mehr rausgehen. Aber auch: sich mehr Zeit für sich selbst nehmen.
Wir wären gerne produktiver
Als ich die Umfrage startete, hatte ich „besser“ vor allem im moralischen Sinne verstanden. Einige KR-Leser:innen erinnerten mich mit ihren Antworten daran, dass man darunter auch Leistung verstehen kann. In den Antworten ging es sowohl darum, in der Arbeit nicht genug zu schaffen, als auch darum, sich selbst verwirklichen zu wollen. Mirko zum Beispiel will mehr an seinen Büchern schreiben.
Schön und gut, wir kennen es also alle. Ich stellte den KR-Leser:innen aber noch eine zweite Frage: Woran liegt das? Einige Antworten kehrten immer wieder. Hier die Top 6 der meistgenannten Gründe. Keiner von ihnen klingt wie eine Ausrede. Und das fühlt sich irgendwie beruhigend an.
Platz 6: „Weil es günstiger war“
Deswegen bestellt Marina auf Amazon, statt in den Laden zu gehen. Deswegen kauft Max die Lebensmittel, die in Plastik verpackt waren: Es war günstiger.
Manchmal ist es nämlich auch Luxus, ein besserer Mensch zu sein. Es braucht die finanzielle Freiheit, das teurere Zugticket dem Flug der Billig-Airline vorzuziehen, sich teures Bio-Fleisch zu gönnen, nicht so viel arbeiten zu müssen, sodass genug Zeit und Energie für ein Ehrenamt bleibt. Nicht jede Person kann das sich leisten. Ich kann das jeden Monat an mir selbst beobachten: Am Anfang des Monats kaufe ich guten Gewissens im Bioladen ein, Ende des Monats stehe ich dann zerknirscht vor den Plastikverpackungen im Rewe.
Platz 5: „Man fühlt sich unwichtig“
Das schreibt Finn. Pia nennt es „ein tiefes Gefühl der Unzulänglichkeit“. Sie würde gerne mit ihrem Cousin und ihrer Cousine über den Feminismus streiten. Aber sie hat dazu nicht den Mut. Sie schreibt von diesem Gefühl von Unzulänglichkeit, von der Angst zu enttäuschen, weil sie nicht perfekt ist. Von einer Suche nach ihrer eigenen Existenzberechtigung auf der Welt. Von einem langen Kampf, von einer Essstörung.
Ich habe ein bisschen darüber nachgedacht: Wir haben alle schon viel erlebt, Gutes wie Schlechtes. Und oft bleiben davon Ängste und Minderwertigkeitskomplexe. Ich bin eine von denen, die mehr Gutes, als Schlechtes erlebt hat, die Dinge gut wegsteckt, optimistisch bleibt. Aber auch ich habe diese Tage, an denen mich alles anstrengt und ich mich ganz klein fühle.
Ich hatte die bekannte Reaktion „Was kann ich alleine schon ändern“ bis jetzt immer als faule Ausrede abgetan. Jetzt weiß ich, dass in manchen Fällen ein tiefsitzendes Gefühl von Unzulänglichkeit dahinter steckt. Denn natürlich: Wenn es uns selbst gerade nicht gut geht, wir uns unwichtig vorkommen, wie sollen wir dann die Energie finden, uns für andere und die Umwelt einzusetzen, uns zuzutrauen, besser zu sein?
Platz 4: „Es sah alles so gut aus und ich war hungrig“
Gelüste sind fies, wenn man als guter Mensch einkaufen will. Wie bei Krissi, die Hunger hatte und so viele Lebensmittel kaufte, dass sie im gleichen Moment wusste, dass sie einige wegwerfen wird.
Gelüste sind auch fies, wenn einen das Reisefieber packt und das Ziel mit Zug und Bus unerreichbar ist. Dann nimmt man schweren Herzens doch das Flugzeug, wie eine Person schrieb, die gerne tauchen geht. Oder Julia, die auf ein Festival ging statt zu dem politischen Sonntagsspaziergang im Hambacher Forst.
Oder Simon, der seinen „Schinkengriller“ genoss und schrieb: „Ein Schinkengriller ist lecker“.
Die Krux ist: Fleisch ist lecker, importierte Bananen auch, Fliegen ist einfach und billig. Das alles bleibt ohne direkte Folge (wenn man ein schlechtes Gewissen wegrechnet). Die besseren Alternativen sind eher anstrengend und langweilig. Wenn Simon in seinen „Schinkengriller“ beißt, weiß er, dass das für ihn und seine nahe Umwelt keine direkten Konsequenzen hat. „Die Probleme, die das macht, sind zu weit weg“, schreibt er.
Platz 3: „Man kann als Spielverderber oder Spinner gebrandmarkt werden“
Das schreibt Mirko. Eigentlich dachte ich, sozialer Druck führt dazu, dass man moralischer handelt. Aber natürlich gibt es Situationen, in denen er zum Gegenteil führt.
Mirko erlebt in Freundeskreisen, in denen Nachhaltigkeit nicht selbstverständlich ist, dass er als Spielverderber oder Spinner abgestempelt wird. Ich kenne das. Wenn ich zum Beispiel zum Essen eingeladen bin und vergessen habe, zu sagen, dass ich Vegetarierin bin. Ich will dann nicht, dass die Person, die gekocht hat, sich schlecht fühlt und esse unauffällig kein oder so wenig Fleisch wie möglich. An Silvester beiße ich mir auf die Unterlippe, wenn alle voller Freude Böller in die rauchschwadige Luft jagen wollen.
Andere Antworten: Bei Thomas verhindert seine Scham dafür, wie gut es ihm geht, dass er einer obdachlosen Person Geld gibt. Cona ist frustriert darüber, dass so wenige Menschen Eigeninitiative zeigen und Aufgaben nur unter genauen Anweisungen ausführen, weshalb sie keine politischen Veranstaltungen organisiert.
Platz 1: „Meine Faulheit. Ganz einfach. Da gibt es kein Drumherumreden“
Platz 1, fragt ihr? Wir sind doch erst bei Platz 2? Ja, ihr habt richtig gelesen, ich ziehe hier mal etwas vor, aber ich habe einen guten Grund, das lest ihr gleich. Mit 27 Nennungen gewinnt nämlich die Faulheit. Die Bequemlichkeit. Die Gewohnheit. Und ihr Spießgeselle: der Selbstbetrug.
Markus, der sich denkt „ach, das eine Mal noch“, als er sich mal wieder für das Auto entscheidet. „Es war so heiß“, sagt Gabriela, als sie nicht zur Demo gegen Rechts ist. „Ich bin nicht diszipliniert genug“, sagt Aline. Dazwischen immer: Faulheit, Faulheit, Faulheit.
Doch sind wir wirklich einfach zu faul? Mirko erwähnt eine Theorie des erschlaffenden Willensmuskels. Robert spricht vom amerikanischen Autor James Clear, der über die sogenannte „Decision Fatigue“, Entscheidungsmüdigkeit, schreibt. Es geht darum, dass wir so viele Entscheidungen treffen müssen, dass wir irgendwann aufgeben. Wenn wir auf der Arbeit viele Entscheidungen treffen müssen, schaffen wir es danach nicht mehr, uns für Sport oder Kochen zu entscheiden. Aus lauter erschlaffter Willenskraft gewinnt die Couch und die Tiefkühlpizza.
Wir sind also gar nicht wirklich faul, sondern ganz einfach überlastet und gestresst. Die Autorin Franziska Seyboldt stellt in der Taz treffend fest: „Erschöpfung ist keine Faulheit“. Nicht aus Faulheit schafft sie es nicht, das müffelnde Hundebett zu waschen. Sie isst auch nicht aus Faulheit Pizza aus der Pappschachtel. Ihre Energie sei einfach die einer Solarzelle ohne Speicherfunktion, schreibt sie.
In der Tat war es für keine der Personen etwas Positives, wenn sie auf meine Frage geantwortet haben, dass sie einfach faul waren. Es ist mehr eine Faulheit aus der Belastung heraus. „Ein Energiesparprogramm unseres Körpers, das schwer zu durchbrechen ist“, wie Dorothea es so schön ausdrückt. Deshalb:
Platz 2, der eigentliche Platz 1: „Man ist gestresst“
Er wäre sowieso fast Platz 1 geworden: der Stress. 26 Mal wurde er genannt. Mich kann ich sogleich dazu zählen. Und zähle ich noch die 27 Mal „Faulheit“ als verstecktes Anzeichen von Überlastung hinzu, habe ich hier die eigentlichen Gewinner: zu viel Stress, zu wenig Zeit, und viel zu viel Belastung.
Robert hat laut mit seiner Tochter geschimpft, weil er gestresst war. „Meine Arbeitswoche hat aktuell häufig 80 Stunden“, sagt Ena und schafft es deshalb nicht sich selbst und anderen Gutes zu tun, sondern scrollt durch Instagram. Andere Antworten:
„Weil ich schlecht geschlafen habe.“
„Weil ich einen stressigen Tag hatte.“
„Weil ich müde war.“
„Zeitmangel.“
„Zu viele Prioritäten.“
Laut einer Stressstudie (PDF) der Technischen Krankenkasse von 2016 haben mehr als 60 Prozent der Deutschen manchmal oder häufig Stress. Am meisten von der Arbeit, von den hohen Ansprüchen an sich selbst und den Verpflichtungen in der Freizeit.
Auf einmal ist es glasklar: Der Kaffee zum Mitnehmen, weil keine Zeit dafür ist, gemütlich einen im Café zu trinken. Das Sandwich in Plastik auf die Hand, weil dringend etwas gegessen werden muss. Das Hoffen, dass der Straßenzeitungsverkäufer nicht nach Geld fragt, weil die U-Bahn doch gleich fährt. Wir haben zu viel Stress und zu wenig Zeit, bessere Menschen zu sein.
Schlimm genug. Aber noch schlimmer ist es, was das mit uns macht.
Das schlechte Gewissen
„Am schlimmsten war es als ich mir das letzte Mal einen To-Go-Becher kaufte. Als ich am Bahngleis stand, hatte ich das Gefühl alle beobachten mich und meinen kleinen To-Go-Becher. Also habe ich dreimal daran genippt und ihn weggeschmissen“, erzählt André.
Was für eine traurige, kleine Geschichte! André hatte sich fest vorgenommen, nie wieder einen dieser Einweg-Kaffeebecher zu kaufen. Dann hatte er aber einen wichtigen Termin und hoffte, der Kaffee würde ihm helfen. Statt ihn zu genießen, fühlte er sich wegen des Bechers so schlecht, dass er ihn in den Müll warf.
Das nennt sich kognitive Dissonanz. Der Begriff kommt vom US-amerikanischen Sozialpsychologen Leon Festinger. Er bezeichnet die Situation, wenn unsere Ansprüche und unser Verhalten miteinander im Konflikt stehen.
Andrés Anspruch ist es, keinen Einwegbecher zu kaufen. Als er es doch macht, also diesem Anspruch entgegen handelt, kommt es zum inneren Konflikt. Das erzeugt ein sehr unangenehmes Gefühl, er verspürt den Druck, diesen Zustand ändern zu wollen. Er wirft den Becher weg. Das nennt Festinger die „Dissonanzreduktion“, Anspruch und Verhalten gleichen sich wieder an. Es fühlt sich emotional ein bisschen so an, als hätte André den Kaffee gar nicht erst gekauft.
Den inneren Konflikt bewältigen
Es gibt drei Strategien, mit kognitiver Dissonanz umzugehen. Die glücklichste, aber unwahrscheinlichste: Das Problem ist behoben. Bio wird billig? Zugfahren auch? Kein Klimawandel mehr? Hach, was ginge es uns gut. Die einfachste und schwerste Strategie zugleich ist, den Ansprüchen gemäß zu handeln. Wenn ich also endlich zu „Fridays for Future“ gehen würde, meine Eltern öfter anrufe, anfange zu meditieren und immer Kleingeld für Obdachlose bereit halte. Aber dass ich das nicht hinkriege, ist ja Ausgang dieses Artikels gewesen. Die dritte Strategie: die Ansprüche verkleinern oder aufgeben. Eine anonyme Person antwortete zum Beispiel: „Ich möchte kein besserer Mensch sein.“ Easy.
Knut reagierte auf meine Frage mit einer Gegenfrage: „Weshalb denkst du eigentlich, du müsstest besser werden oder sein?“
Vielleicht weil ich mehr altruistisch, als egoistisch geprägt bin, gerne Gutes tue? Schließlich schreibe ich diesen Text hier nicht, um endlich die universale Ausrede dafür zu bekommen, damit aufzuhören. Und da gibt es gute Neuigkeiten: Altruist:innen leben länger. Gutes tun macht glücklich.
Vor einem Jahr besuchte ich eine Vorlesung an der Universität der Künste Berlin. Sie trug den vielversprechenden Titel „Glück oder wo die guten Gefühle herkommen“. Einmal bekamen wir die Hausaufgabe, bewusst Gutes zu tun. Zum Beispiel immer Kleingeld für Obdachlose in der Tasche bereit zu halten, sodass wir jedes Mal, wenn uns eine obdachlose Person begegnet, etwas geben können ohne zu überlegen. Ich hielt mich die ganze Woche daran und es war auf einmal so einfach. Niemals musste ich überlegen, wie schnell ich jetzt an meinen Geldbeutel komme, wie viel Geld wohl angemessen wäre, ob die Person es nicht doch für Drogen ausgibt. Die Münzen warteten schon bereit in meiner Jackentasche. Mein sogenanntes Glücksprotokoll von dieser Woche zeigt: Mir ging es in dieser Woche besonders gut. Der Versuch, ein besserer Mensch zu werden, lohnt sich also auf jeden Fall.
Aber wie?
Man kann es lernen. Meine Glückshausaufgabe ist ein Beispiel.
Sich selbst Fehlschläge verzeihen
Was mir an den Glückhausaufgaben so gefiel, war, dass sie so überschaubar waren. Wir bekamen jede Woche eine neue. Dabei war gleichermaßen interessant, was gelang, als auch, was nicht gelang. Ich erinnere mich an eine ähnliche innere Ruhe, wie ich sie auch jetzt verspüre. Ich verstand nämlich, dass es nicht darum geht, immer wieder von sich selbst enttäuscht einem Ideal hinterherzujagen. Ich weiß, dass ich nicht immer der bessere Mensch bin, der ich gerne wäre. Aber ich kann es mir verzeihen. Und in kleineren, machbaren Schritten denken. Und vorbereiten: Geld in der Jackentasche parat zu haben, um es Obdachlosen gleich geben zu können, erleichtert die Entscheidung – und das senkt den Stresslevel.
Da lobe ich mir auch Mirkos Strategie. Er schreibt seit Jahren seine Tagesaufgaben in ein kleines Buch. „An 90 Prozent der Tage schaffe ich gerade einmal zwischen 30 bis 50 Prozent davon“, schreibt er. Deshalb braucht es laut ihm nicht nur Ziele, einen starken Umsetzungswillen, sondern vor allem auch die Bereitschaft, sich Fehlschläge zu vergeben, um wieder neu zu starten.
Was mir all die Antworten gezeigt haben: Ich möchte mir wieder bewusst mehr Zeit nehmen. Es ist aber auch okay, wenn es nicht immer gelingt. Heute, als ich am Artikel schreibe, ist wieder Freitag. Ein „Fridays for Future“-Freitag. Während Greta Thunberg ihre CO2-neutrale Reise übers Meer in die USA plant, werde ich wieder nicht hingehen können. Ich muss arbeiten. Aber ich habe diese Woche schon dreimal meditiert. Ein Anfang.
61 Leser:innen haben an meiner Umfrage teilgenommen. Vielen Dank Finn, Stefanie, Marina, Cona, Krissi, Jenny, Michael, Mirko, Thomas, Christian, Maite, Robert, Johannes, Kai, Max, Susann, Angela, Tino, Knut, Erik, Jennifer, Markus, Falk, Bernd, Nati, Reni, Ursula, Nathalie, Gabi, Magnus, Uwe, Annette, Julia, Dorothea, Henderik, Pia, Gabriela, Ena, Jens, Dagmar, André, Aline, Laura, Daniel, André, Dierk, Simon, Ruth, Ute, Anna, Dorit, Martin, Thomas, Anna, und allen, die anonym geantwortet haben.
Redaktion: Philipp Daum; Schlussredaktion: Bent Freiwald; Bildredaktion: Martin Gommel.