300 Liebeserklärungen an das Kinderkriegen

© Unsplash / Kelly Sikkema

Leben und Lieben

300 Liebeserklärungen an das Kinderkriegen

Wenn man Zeitung liest, hat man den Eindruck: Um ein Kind zu bekommen, müssen Eltern in diesem Land all ihren Mut zusammennehmen. Dabei finden ich und gut 300 Leser: Jetzt ist der richtige Zeitpunkt.

Profilbild von von den Krautreporter-Leser:innen und Susan Mücke

Immer mehr Bücher und Artikel erscheinen, in denen es um die negativen Seiten des Kinderkriegens, Erziehens und Mutterseins geht. Ja, man könnte fast den Eindruck gewinnen, Kinderkriegen sei wie Krieg, Schwangerschaft und Muttersein seien eine private Katastrophe. Mütter bereuen – und Eltern stören. Ihre Kinder sowieso.

Dabei ist die Geburtenrate in Deutschland so hoch wie seit über 40 Jahren nicht mehr. Immer mehr Frauen vor allem zwischen 30 und 38 Jahren entscheiden sich für Kinder. „Sie realisieren derzeit unter günstigen familienpolitischen und wirtschaftlichen Bedingungen ihre Kinderwünsche mit höherer Intensität”, wie es so schön im Beamtendeutsch des Statistikamtes heißt. Doch was genau verbirgt sich dahinter?

Irgendwas muss doch richtig daran sein, wenn sich heute immer mehr Menschen für Kinder entscheiden. Ich habe die KR-Mitglieder gefragt, warum heute eine gute Zeit für Kinder ist. Das ist unsere Liste der wichtigsten Gründe.

Mit Elternzeit und Elterngeld gibt es so gute Voraussetzungen wie nie zuvor

Kaum vorstellbar, dass frisch gebackenen Müttern bis vor wenigen Jahren nur ein bescheidenes Erziehungsgeld von monatlich höchstens 450 Euro zur Verfügung stand (Vätern übrigens auch, aber kaum einer von ihnen nahm das in Anspruch). Damals hieß die Elternzeit noch Erziehungsurlaub und so wurde sie gesellschaftlich auch betrachtet. Als Urlaub und nicht als das, was sie eigentlich ist, nämlich Arbeit.

Heute können Mütter und Väter dank Elterngeld zeitweise aus dem Beruf aussteigen und mit einer Unterstützung rechnen, die ihnen den Lebensunterhalt zumindest sichert. Das sollte vor allem Akademikerinnen bewegen, Kinder zu bekommen, und wenn man sich die aktuellen Geburtenzahlen anschaut, ist diese Rechnung auch aufgegangen.

Das Elterngeld wirkt sich auch auf das Glücksempfinden aus, wie die Sozialstatistiker Mikko Myrskylä und Rachel Margolis vom Rostocker Max-Planck-Institut für demografische Forschung herausgefunden haben. Sie verglichen in einer großangelegten Studie die Zufriedenheit von Eltern, die zwischen 2003 und 2010 ihr erstes Kind bekommen hatten. Mit dem Ergebnis, dass bei denjenigen, die bloß 300 Euro Erziehungsgeld erhalten hatten, die Lebenszufriedenheit nach einem anfänglichen kleinen Hoch relativ schnell unter den Wert vor der Geburt fiel. Bei denen, die dagegen Elterngeld – wurde 2007 eingeführt –vor allem bezogen hatten, war das Glücksgefühl auch noch im zweiten Lebensjahr des Kindes hoch.

https://www.youtube.com/watch?v=XO7usmHbEtA

Mit dem Begriffswandel und der neuen Gesetzgebung geht auch ein Wertewandel einher. Erziehungsarbeit wird mehr wahrgenommen und geschätzt. Gleichzeitig haben sich die Grundlagen für Eltern verbessert, um Arbeit und Kinder besser unter einen Hut zu bringen. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist nicht mehr die Ausnahme, sondern gesellschaftliche Normalität. Die Betreuungsmöglichkeiten sind heute besser als zuvor. Bildung ist bis zur Hochschule kostenfrei und gut.

Kinderbetreuung und Arbeit lassen sich für Eltern und Arbeitgeber in Einklang bringen, sodass beide zufrieden sind. Zudem sind die Rollenbilder weniger starr als früher: Eltern können sich die Erziehung individueller aufteilen.

Viele Frauen haben einen Beruf, der ein selbstfinanziertes Leben möglich macht. Die Frauenerwerbsquote ist von 44 Prozent im Jahr 1950 auf 72 Prozent in 2009 angestiegen (auch wenn Frauen im Durchschnitt noch immer deutlich weniger verdienen als Männer).

Kinderkriegen hat wieder mehr Aufmerksamkeit in der Politik

Die ehemalige Bundesfamilienministerin Kristina Schröder hat den Anfang gemacht. Ihre Nachfolgerin Manuela Schwesig (heute Ministerpräsidentin in Mecklenburg-Vorpommern), die frühere SPD-Vorsitzende Andrea Nahles und die frühere Linken-Vorsitzende Katja Kipping zogen nach. Seit mehr Frauen in hohe politische Ämter rücken, tauchen auch Babys auf der politischen Bühne auf. Knapp 50 Frauen im Bundestag haben kleine Kinder. Womöglich ist auch das einer der Gründe, warum Kinderkriegen wieder mehr Aufmerksamkeit in der Politik hat. Schwesig reformierte, kaum im Amt, das Elterngeld und stieß eine Debatte über die 32-Stunden-Woche für junge Eltern an. Schröder gründete gemeinsam mit anderen weiblichen Bundestagsabgeordneten die Initiative „Eltern in der Politik“, die sich für einen familienfreundlicheren Politikbetrieb einsetzt, zum Beispiel dafür, den „politikfreien Sonntag“ einzuhalten und Sitzungen effizienter zu leiten. (Wer kennt sie nicht aus dem eigenen Berufsalltag, die mitunter zähen Meetings zu unmöglichen Zeiten, in denen sich einige wenige Kollegen produzieren.)

Mehr zum Thema

Kinder lenken unseren Blick auf etwas Wichtigeres als Geld und Konsum – das hat unsere Zeit bitter nötig

Die Kaufkraft ist in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Dank steigender Einkommen und des technischen Fortschritts können sich die Deutschen mit ihrem Nettoverdienst durchschnittlich neun Prozent mehr Güter leisten als noch Mitte der 1990er Jahre, und sie tun es auch. Nach Ansicht des Konsumforschers Frank Trentmann besteht das grundsätzliche Verständnis unserer modernen Gesellschaft darin, dass wir Gegenstände konsumieren, um uns auszudrücken. Konsum ist damit identitätsstiftend geworden.

Kinder aber lassen uns mal wieder ein Stück Abstand nehmen von der Selbstoptimierung, der Karriere und den Wohlstandsproblemen, die man so hat.

via GIPHY

Sie machen uns auf die wesentlichen Dinge des Lebens aufmerksam, bringen uns auf den Boden der Tatsachen zurück und damit letztendlich der Natur wieder näher. Man liest viel über eine kälter werdende Gesellschaft, fehlendes Engagement füreinander. Kinder zu haben, ist der Gegenpol zu diesen Strömungen. Man muss sich für einen anderen einsetzen, man wächst emotional über sich hinaus und lernt, Rücksicht zu nehmen. Dabei fordern Kinder unsere ganze Aufmerksamkeit.

Andererseits gibt es heute so tolle Parks, die unglaublich viele Beschäftigungen für Kinder bieten, schon allein diese modernen Spiel- und Kletterburgen, Trampolinparks und Kletterhallen, die jeden Tag zu nutzen sind, sodass man selbst gerne noch einmal Kind wäre.

Babys lachen 300-mal am Tag. Erwachsene hingegen nur 60-mal. Wir sollten uns ein Beispiel an ihnen nehmen. Kleine Kinder lieben dich bedingungslos. Du kannst ihnen dein Leben zeigen und für sie sorgen. Als Erwachsene zeigen sie wiederum dir ihr Leben. Wenn man es geschafft hat, das Verständnis füreinander zu bewahren, helfen sie dir, wenn du als alter Mensch ihre Unterstützung brauchst.

Kinder verändern die Sicht auf das Leben grundlegend, denn sie bringen einem jeden Tag aufs Neue bei, dass man nicht der Mittelpunkt der Welt ist.

https://www.youtube.com/watch?v=_p0ay-SIwgA

Kinder weiten den Blick, erinnern an Neugier und Offenheit, wenn die Erwachsenen im Alltagsstress versinken. Sie in die Welt zu setzen, ist ein Ausdruck von Hoffnung und zeigt, dass ich die Welt mitgestalten will und kann. Nicht zuletzt schlagen wir damit der Überalterung unserer Gesellschaft ein Schnippchen, die auch dazu führt, dass bislang recht gute Modelle, wie etwa der sogenannte Generationenvertrag, bald nicht mehr funktionieren werden. Denn dieser Vertrag basiert auf der Erwartung der Generation, die heute die Beiträge für die Rentner bezahlt, dass die ihr nachfolgende Generation die gleiche Verpflichtung übernimmt. Wenn nun aber die Zahl der Rentner steigt, ohne dass genügend Kinder nachwachsen, führt das zu erheblichen Problemen im Rentensystem.

Wir brauchen starke künftige Generationen

Eltern sind Vorbilder und keine Vorredner (was das für die Erziehung bedeutet, habe ich in meinem Beitrag Was willst du für dein Kind - Anstand oder Karriere beschrieben). In Kontexten, in denen sie ihre Kinder immer mehr auf Augenhöhe beim Älterwerden begleiten, Regeln und feste Grenzen vorgeben, jedoch zu offenen Diskussionen ermutigen, sind gute Grundlagen für eine verantwortungsvolle und wache Generation gelegt.

Deutschland ist politisch so stabil wie kaum je zuvor. Auf der Indexskala der World Bank liegen wir bei einem Wert von 0,76 Punkten und damit im oberen Feld (-2,5 schwach; +2,5 stark). Wir leben in Frieden, und Europa bietet uns eine freie, demokratische, kulturell reiche und relativ sichere Heimat. Insbesondere, wenn man bedenkt, wie unsere Großeltern aufgewachsen sind.

Die Arbeitslosenquote ist so niedrig wie schon lange nicht mehr. Und uns ging es noch nie so gut wie heutzutage. Laut einer Studie zählt Deutschland mit der Schweiz und Dänemark zu den besten Drei in Europa hinsichtlich des Lebensstandards. Durchschnittliche Arbeitnehmer:innen verdienen zwar weniger als andernorts. Das wird aber durch die teilweise niedrigen Lebenshaltungskosten aufgewogen.

Die medizinische Versorgung sowohl der Schwangeren als auch der Kinder ist in Deutschland heute gut. Bis zu 13 Untersuchungen gehören zur regulären Schwangerenvorsorge. Kindern stehen insgesamt elf ärztliche Untersuchungen zur Früherkennung von Krankheiten zu. Menschen in ärmeren Ländern haben kaum den Luxus, sich ständig Gedanken darum zu machen, ob Holz- oder Plastikspielzeug besser fürs Kind ist oder ob ihm gleich was passiert, wenn es mal einen Schluck Kuhmilch trinkt anstatt Bio-Dinkel-Hafermilch. Sie sind froh, wenn sie ihr Kind überhaupt gesund gebären und ernähren können.

Neugeborene haben in Deutschland die Chance auf ein immer längeres Leben: Ihre Lebenserwartung ist im Vergleich zu 2013 um zwei Monate gestiegen. Das Statistische Bundesamt hat errechnet, dass Mädchen durchschnittlich 83 Jahre und zwei Monate leben werden und Jungen im Schnitt 78 Jahre und drei Monate. Die Säuglingssterblichkeit ist gering. Nur zwei von 1.000 Säuglingen überleben den ersten Lebensmonat nicht. Damit ist die Zahl im Vergleich zu 1980 auf rund ein Viertel der Fälle zurückgegangen.

Ein Kind im Bauch oder Arm ist der schönste Grund, die Welt stetig zu einem besseren Ort zu machen

Familie wird wieder wichtiger als Individualismus. Das zeigt auch die letzte Jugendstudie, in der 90 Prozent der Jugendlichen angaben, dass ein gutes Familienleben für sie sehr wichtig ist. Kinder bieten die Möglichkeit, sich ins Private zurückzuziehen. Zum Beispiel dann, wenn die Karriere stagniert, weil sich im Job immer nur die Kollegen mit den stärksten Ellenbogen durchsetzen. Die Verbindung mit Kindern ist das einzige wahre Netzwerk, das überhaupt zählt, die Vernetzung zweier Organismen.

via GIPHY

Gute Menschen müssen Kinder bekommen und ihnen vorleben, dass es sich lohnt, gut zu sein. Nichts verkörpert Liebe und Neugier mehr als ein Kind. Und das braucht die Welt. Ein Kind im Bauch oder Arm ist der schönste Grund, die Welt stetig zu einem besseren Ort zu machen. Jeder kann die Welt ein bisschen besser machen, indem er seine Kinder nicht zu ignoranten Despoten erzieht.

Es macht Spaß, einem werdenden Menschen beim Menschwerden zuzusehen und dies beeinflussen zu können. Vielleicht auch, weil genau jetzt meine optimale Zeit ist, um mich für ein Kind zu entscheiden. (So jung ist man nie wieder.) Weil ich jetzt den Mut und auch den Partner dazu habe. Weil meine persönliche Lebensplanung ein Kind oder auch Kinder beinhaltet. Weil ich gerne behüten und beschützen, lehren und begleiten möchte. Kinder sind die unbedarftesten und gleichsam logischsten Wesen der Welt.

Nicht zuletzt gehen Geld, Karriere, Ruhm und Ehre nicht bis ins Herz. Ein neues Leben berührt aber bis ins Mark. Es ist ein Wunder, das zählt.

Kinder sind eines der letzten großen Abenteuer in unserer so durchgeplanten Welt. Sie sind erfüllend und geben dem Leben Sinn. Sie verleihen Glück, Zuversicht und Hoffnung. Kinder sind unsere Zukunft. Nach uns muss es weitergehen.

All das ist vielleicht noch nicht perfekt, kann und soll noch besser werden. Zugleich ist es nicht für jeden überall einfach. Dennoch macht all das unsere Zeit zu einer guten für Kinder.


Danke für eure Antworten an: Alexandra, Catarina, Lina, S, Daniela, Pina, Renate, Sören, Hanna, Judith, Stefan, Martin, Friedrich, Wilhelm, Isabel, Daniel, Stephan , Andrea, Henrik, Eva, Mira, Fenja, Katharina, Maria, Paul, Angelica, Antonia, Heike, Linda, Johanna, Clara, Kathi, Ruth, Sirit, Claudia, Michael, Nora, Jenny, Maria, Olga, Friederike, Natascha, Camilla, Maria, Sebastian , Lea, Bea, Barbara, Theresa, Anna-Lena, Doro, Iva , Elisabeth, Samir, Richard, Philipp, Petra, Uli, Christine, Robert, Nicole, Sven, Ben, Lena, Tim, Gudrun, Carsten, Sonja, Maik, Matthias, Stefan, Susann, Jürgen, Daniela, Ulla, Knut, Jens, Friederike, H., Vesela, Martin, Nora, Susanne, Stefan, Anne, Julia, Erwin, Melissa, Manuel, Ilka, Eva , Daniela, Katharina, Dirk , Katha, Johanna, Felicie, Jakob, Florian, Felix, Tanja, Nina, Sven, Anna, Isabel, Hannah, Wolf, Anja, Christina, Linn, Marie, Thomas, Tina, Henriette , Wolfgang, Katharina, Johannes, Michael , Lena, Luise, Barbara, Stephan, Thomas, Mirko, Gerda, Susa, Ulf, Thomas, Eva, Carsten, Monika, Michael, Conny, Jasmin, Mandy, Franziska, Daniel, Francesca, Stefanie, Mo, Phil, Katharina, Anna, Sofia, Daniela, Jana, Doreen, Mara, Kathrin, Christiane, Christine, Julia, Christine, Theresi, Ute, Sabine, Seb, Sabine, Sonja, Anna, Sascha, Maria, Chrissie, Asha, Anne, Jule, Jakob, Dschieses, Monika, Tamara, Alina, Stefan, Anja, Axel, Corinna, Jens, Robert, Evelyn, Yvonne, Lena, Connie, Nicole, Timothy, Van, Maria, Katharina, Dunja, Wolfgang, Karoline, Johanna, Coca, Jule, Nina, Achim, Cindy, Carina, Beate, Joachim, Elisa, Florian, Fabian, Svenja, Ria, Henrike, Irmgard, Dagi, Micha, Thomas, Ina, Barbara, Uwe, Martin, Rico, Johanna, Michaela, Susanne, Sabine, Andreas, Anna, Thomas, Franziska, Andreas, Roman, Maurice, Roland, Alina, Laura, Sarah, Anne, Christoph, Peter, Inge, Maria, Oliver, Ulla, Nini, Teresa, Trixi, Isabel, Ute, Stephan, Sven, Birgit, Annerose, Flo, Lina, Joachim, Stefan, Antje, Birk, Claudia, Christiane, Florian, Katrin, Jan, Mort, Stefan, David, Erik, Rebecca, Uli, Frauke, Daniel, Thomas, Sascia und Paul.

Redaktion Sebastian Christ, Bildredaktion Martin Gommel (Unsplash / Kelly Sikkema)