Seine ersten drei Lebensjahre verbringt Raphael in Hongkong. Dann zieht er mit seiner deutschen Mutter, einer Sinologie-Studentin, nach Berlin. Er merkt früh, dass sein Selbstbild von dem abweicht, wie andere ihn sehen. Er ist erst wenige Monate in Deutschland, als ihn die Verkäuferin in einer Bäckerei fragt „Was bist du denn für ein kleiner Süßer” und er sofort antwortet „Ich bin ein Chinese” – die Frau hatte erwartet, dass er Afrikaner sagt.
„Ich war zwölf Jahre alt, als ich festgestellt habe, dass ich schwarz bin. Ich meine: schwarz als politische Kategorie, weil meine Haut nicht wirklich schwarz ist.”
Outsider in der Schule, Insider beim Breakdance
Als er als Teenager auf eine neue Schule geht, wird er von einem Schüler regelmäßig gemobbt und rassistisch beleidigt – mit dem „N-Wort“ – und als „Hurensohn“ beschimpft. Die Direktion greift nicht ein, bis er seinem Mobber einen Stuhl über den Kopf haut. „Dann war ich der aggressive Schwarze. Die Schule hat die rassistischen Übergriffe zu meinem Problem gemacht.”
Raphael lernt, sich mit Fäusten, aber auch mit Worten zu wehren. Er macht Jiu-Jitsu und fängt Feuer für Breakdance. In dieser Szene findet er Respekt und Anerkennung.
„Ich hatte einen großen Antrieb, jemand zu sein in dieser Gesellschaft. Die Schule hat mir dieses Gefühl nicht gegeben. Also bin ich mit 15 jeden Tag zum Training gegangen, um breaken zu lernen. Da habe ich gemerkt: Das ist eine Szene, zu der ich dazugehören könnte.”
Raphael ist erfolgreich als Breaker und beschließt – nach misslungenem Einstellungstest zum Piloten –, seinen Weg als professioneller Tänzer und Choreograph fortzusetzen. Er tritt in Broadway-Shows und TV-Sendungen auf.
Mit Hip-Hop-Werten für den Bundestag kandidieren
Am 1. Mai 2017 gründet Raphael mit Gleichgesinnten „Die Urbane – eine HipHop-Partei” – „ein riesenbürokratischer Akt”. Sie sammeln 2.000 Unterschriften mit dem Ziel, an der Bundestagswahl teilzunehmen – was sie auch schaffen. Allerdings steht „Die Urbane“ am 24. September nur in Berlin zur Wahl. Ihre Kernthemen sind Gewaltfreiheit, Bildung und Kultur sowie gerechte Verteilung der Ressourcen.
„Die Haltung, wir können die Politik einfach machen lassen und es wird schon okay sein, die ist vorbei. Wir müssen uns richtig anstrengen, sonst ist so was wie die AfD keine Randerscheinung mehr, sondern der Mainstream.”
Weitere Themen: überflüssiger Nationalstolz, Breakdance-Training als der demokratischste Raum, wie viel Geld man bei Straßenshows verdienen kann, das Spiel: „Wer hat’s gesagt? Politiker oder Rapper?” Und: Welche Politikerfloskeln sich Raphael verboten hat.
Der Halbe-Katoffl-Podcast ist eine Gesprächsreihe mit Deutschen, die nicht-deutsche Wurzeln haben. Moderator ist der Berliner Journalist Frank Joung, dessen Eltern aus Korea kommen. Es geht um Themen wie Integration (gähn), Identität (ach ja) und Stereotypisierungen (oha) – aber eben lustig, unterhaltsam und kurzweilig. Anekdoten aus dem Leben statt Theorien aus dem Lehrbuch.
Aufmacherfoto: Frank Joung. Den Text gegengelesen hat Vera Fröhlich.