Anna Melamed kommt aus Nürnberg und wollte mal raus aus dem “spießigen” Bayern. Deshalb studiert sie BWL in Göttingen, einer Studentenstadt, übersichtlich und dynamisch zugleich. In Niedersachsen fällt sie mit ihrem “Sprachfehler” auf, den sie aus dem Russisch ihrer Eltern und aus Franken übernommen hat: das rollende R.
Während der Studienzeit merkt Anna, wie sie als Jüdin direkt nach Israel gefragt wird. Früher hatten die Mitschüler sich eher für jüdische Bräuche und Sitten interessiert, heute verwickeln Studierende sie gerne in politische Diskurse über den Nahostkonflikt.
„Ich träume von einer Welt, in der ich erzähle, dass ich jüdisch bin, und die Reaktion nicht Interesse, Neugier oder Ablehnung ist, sondern ein ‚Na und?‘. Wenn es keine Rolle mehr spielt. Dann würde es sich auch nicht anfühlen wie ein Outing.”
Anna Melamed
Die Mitschüler fragen neugierig nach
Wenn der „Nationalsozialismus” im Geschichtsunterricht zum Thema wird, fragt die Lehrerin auch schon mal bei Anna nach, ob sie zu dem Gesagten noch etwas hinzufügen möchte. Die Mitschüler zeigen sich interessiert an ihrer persönlichen Familiengeschichte. „Sie waren sehr neugierig und nicht genervt – das hat mich natürlich gefreut.”
„Das Judentum lässt sich aktuell nicht erklären, ohne im nächsten Satz ‚Holocaust’ oder ‚Zweiter Weltkrieg’ zu sagen. Das ist meine Familiengeschichte, und meine Familie war auch sehr stark darauf bedacht, dass ich sie kenne.”
Anna Melamed
„Wir sahen aus wie Teletubbies”
Die Integrationsversuche ihrer Eltern hingegen hat Anna nicht immer in bester Erinnerung behalten. Wenn die ganze Familie in bunten Jack-Wolfskin-Jacken Urlaub macht, kann man als Jugendliche schon mal den Kopf schütteln. “Wir sahen aus wie Teletubbies”, erinnert sich Anna.
Was muss jemand essen, der sich überhaupt nicht mit jüdischem Essen auskennt? „Hummus, Hummus is life“, sagt Anna. Und auf jeden Fall „Gefilte Fisch”. Das ist ein eingelegter Fisch, „sieht aus, als ob so ein Embryo ausgekotzt wurde“, schmeckt aber richtig gut, meint die Studentin. Und den Hefezopf, der zu Schabbat (Freitag- bis Samstagabend) gereicht wird.
Weitere Themen: Helikopter-Mütter, ihr Lieblingsgericht Cordon Bleu, absurde Verbote, jüdisches Tinder und warum Chanukka ein tolles Fest für Kinder ist.
Der Halbe-Katoffl-Podcast ist eine Gesprächsreihe mit Deutschen, die nicht-deutsche Wurzeln haben. Moderator ist der Berliner Journalist Frank Joung, dessen Eltern aus Korea kommen. Es geht um Themen wie Integration (gähn), Identität (ach ja) und Stereotypisierungen (oha) – aber eben lustig, unterhaltsam und kurzweilig. Anekdoten aus dem Leben statt Theorien aus dem Lehrbuch.
Das Aufmacherfoto hat Frank Joung gemacht